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SUMMER DAWN (Sommerdämmerung) (German Edition)

SUMMER DAWN (Sommerdämmerung) (German Edition)

Titel: SUMMER DAWN (Sommerdämmerung) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David J. Dives
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dasjenige, das er am Abend zuvor im toten Briefkasten vorgefunden hatte, aber diesmal ein schmales Paket. Der Mann ihm gegenüber, Kenta Kato, hatte seine Hände vor sich auf den Tisch gelegt. Sie ruhten auf einem Katana, das ebenfalls quer vor ihm auf dem Tisch lag, und der dazugehörigen Koshirae mit einer roten Sageo und einem dunklen Saya. Die von der blutfarbenen Kordel umbundene Schwertscheide war mattschwarz. Sie trug zwei geschwungene, mit goldener Farbe aufgemalte Schriftzeichen an der Mündung zum Griff. Sie bedeuteten « Neun Drachen» .  

    6

    Der Ratsvorsitzende Matsumoto, ein drahtiger Mann von fast 70 Jahren, wies Takeda an, die vor ihm liegende Botschaft erst nach seiner Rückkehr in seine Wohnung zu lesen. Matsumotos Kopf drehte sich hinüber zu Kato, dieser nickte kurz und bestimmt. Kenta Kato packte das Katana mit seinen Händen, neigte sich nach vorn und reichte das Schwert Takeda über den Tisch. Dieser nahm die Waffe entgegen und nickte ebenfalls kurz in Richtung Kato, dann Matsumoto und in die Tischrunde. Er war erleichtert und angespannt zugleich. Die Übergabe des Schwertes bedeutete nichts anderes, als dass der Rat von ihm verlangte, in den Krieg zu ziehen.
    Matsumoto klatschte zweimal in die Hände, eine Tür an der Wand wurde aufgeschoben; einige weibliche Bedienstete brachten hastigen Schrittes Tee und Sake auf Tablaren an den Tisch. Jeder Mann am Tisch erhielt zwei gefüllte Gefäße, ein weißes und ein schwarzes. Der Vorsitzende erhob seinen schwarzen Keramik-Becher mit dem Tee, und die Männer am Tisch taten es ihm gleich. Kein Wort war zu vernehmen. Alle tranken ihren Becher in einem Zug leer. Dann folgte der weiße Becher mit dem Sake. Als alle leeren Becher wieder auf dem Tisch standen, blickte Matsumoto auf die Wand in Takedas Rücken. Er hob seinen Arm in die entsprechende Richtung und blickte Takeda ernst ins Gesicht. Dieser wandte sich um und erblickte eine Lücke in der Wand. Eine der Holzeinfassungen mit dem Reispapier war zur Seite geschoben worden, eine Art Geheimtür. Ein unbekannter Mann stand mit verschränkten Armen im Durchgang, der Raum dahinter war ungefähr halb so groß wie die Versammlungshalle und nur schwach erhellt.  
    Takeda erhob sich vom Tisch, verbeugte sich kurz und ging auf den Mann im Durchgang zu. Dieser trat zur Seite, verbeugte sich ebenfalls und deutete ihm an, den Raum zu betreten.  
    Kaum stand Takeda im Nebenzimmer, das komplett mit Tatami-Matten ausgelegt war, wurde die Tür hinter ihm wieder zugeschoben. Die Kammer war leer, bis auf einen mannshohen rahmenlosen Spiegel, der an die Wand gelehnt zu Takedas Linken stand. Von der anderen Seite des Raumes trat ihm eine Gestalt aus der Dunkelheit entgegen, die er sogleich erkannte. In der Mitte des Raumes befanden sich dessen Instrumente und Farbtöpfe. Es war niemand Geringeres als der Sensei, der Meistertätowierer des Syndikats. In manchen kleineren kais ritzten die jeweiligen Oberhäupter die Hautgemälde ihrer Männer selbst, je nach Persönlichkeit der Untertanen. Im Gonagawa-kai war dies die Aufgabe von Akiyama, was soviel bedeutete wie «der Herbst und der Berg».
    Der Sensei wies Takeda an, seinen Oberkörper zu entblößen und sich hinzusetzen. Er machte sich daran, seine Tätowiernadel mit Farbe anzureichern und prüfte deren Gehalt mit dem Zeigefinger. Takeda setzte sich hin, den Oberkörper auf die Arme gestützt, und Akiyama machte sich an die Arbeit. Takeda spürte die Stiche kaum, er wusste, was kommen würde.
    Die Arbeit des Meisterkünstlers dauerte fast fünf Stunden. Immer und immer wieder flammte ein kurzer, stumpfer Schmerz auf Takedas linkem Brustmuskel auf. Nach einer Weile wurden die Stiche zu einem kaum merkbaren dumpfen Pieksen. Die Haut spannte und pochte, die Hände des Sensei bewegten sich gewandt.  
    Als er sein Werk vollendet hatte, tupfte Akiyama Takedas Brust nochmals gründlich ab, verbeugte sich und verließ den Raum auf dem Weg, woher er gekommen war, durch eine schmale Schiebetür.  
    Takeda legte sich einen Moment hin und ruhte sich aus. Eine Tätowierung war letzten Endes immer auch eine grossflächige Verletzung der obersten Hautstruktur, aber der Krieger in ihm nahm das Geschenk dankend an. Die oberste und letzte Würde – der neunte Drache.  
    Nach ein paar Minuten erhob sich Takeda; er trat zum Spiegel. Die Haut auf seiner linken Brusthälfte war leicht geschwollen bis hinauf zum Hals. Auch bis zum Deltamuskel seiner Schulter, und auf der anderen

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