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Sumpfblüten

Sumpfblüten

Titel: Sumpfblüten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hiaasen
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den Boden schleiften.
    Sammy Tigertail erwachte in einem Zustand reizbarer Erregung. Der Abend dämmerte, und ein kühler Nordwestwind wehte vom Golf her. Er steckte eine der Angelruten zusammen, befestigte eine Elritze aus Plastik an der Schnur und eilte zum Strand, in der Hoffnung auf einen roten Umberfisch oder einen Barsch.
    Doch während der junge Indianer sich mit dem Geist des weißen Mannes herumgestritten hatte, war eine mächtige Flut aufgelaufen. Nicht gut fürs Strandfischen und noch weniger gut für ein auf den Sand gezogenes Kanu.
    Im schwindenden Licht schritt Sammy Tigertail am Ufer auf und ab und spähte beklommen in alle Richtungen. Von dem leuchtend blauen Boot war nichts zu sehen. Der Wind und das rasch steigende Wasser hatten es davongetragen und es möglicherweise zum Kentern gebracht.
    Wieder kam er sich vor, als sei er verflucht. Er trottete zum Lager zurück und zündete ein Feuer an. Dann nahm er die Gibson und legte sie quer über seinen Schoß. Als er mit den Händen über die prachtvollen Wölbungen und Krümmungen des Instruments strich, stellte er fest, dass die tanzenden Flammen, die sich in dem kühlen, polierten Holz spiegelten, ihn zur Ruhe brachten.
    Da er keine Akkorde kannte, begann Sammy Tigertail mit wilder, zufälliger Energie die Saiten zu zupfen. Er hatte keinen Verstärker, doch er stellte sich vor, dass er das nächtliche Universum mit Musik erfüllte. Es war eine gute Therapie für einen Schiffbrüchigen.

4. Kapitel
    Das Krabbenboot, das Sammy Tigertail sich ausgeliehen hatte, um Wilsons Leichnam zu transportieren, gehörte einem Mann namens Perry Skinner, Honey Santanas Exehemann und Vater ihres einzigen Sohnes. Skinner hatte Sammy Tigertail nicht gefragt, wozu er das Boot brauchte, weil Skinner es gar nicht wissen wollte. Er war stellvertretender Bürgermeister von Everglades City und somit weitgehend gegen offizielle Nachforschungen in den meisten kriminellen und anderen Angelegenheiten gefeit.
    »Was macht die Schule?«, fragte er Fry.
    »Ist echt elektrisierend.«
    »Und deine Mom?«
    »Irgendwie bin ich deswegen hier.«
    »Dachte ich mir«, sagte Perry Skinner. »Gib mal das Ketchup rüber.«
    Sie waren die Einzigen, die im Rod and Gun Club Burger aßen.
    »Nennt sie mich immer noch deinen ›Exvater‹?«
    »Manchmal«, erwiderte Fry. »Manchmal heißt es einfach nur ›dein Alter, dieser nichtsnutzige Dopeschmuggler‹.«
    »Das ist hässlich.« Perry Skinner malte mit Senf ein Smiley auf seinen Burger. »Solche Verbitterung ist nicht wirklich attraktiv«, meinte er.
    »Ich glaub nicht, dass sie das ernst meint.«
    Wie praktisch jeder normale männliche Angehörige seiner Generation in Everglades City waren Skinner und sein Bruder dabei erwischt worden, wie sie massenhaft Marihuana geschmuggelt hatten. »Was da passiert ist, ist lange her, Fry. Ich hab meine Zeit abgesessen«, sagte er. »Einunddreißig Monate in Eglin; ich hab mir alle Mühe gegeben, mich weiterzubilden. Was glaubst du denn, wo ich Spanisch gelernt habe?«
    »Ich weiß, Dad.«
    »Deine Mom hätte sich scheiden lassen können, während ich im Knast war, hat sie aber nicht.«
    Fry leerte zwei Zuckerpäckchen in seinen Eistee. Er hatte schon alles gehört, was seine Eltern übereinander zu sagen hatten. Interessant fand er die Tatsache, dass keiner der beiden wieder geheiratet hatte.
    Skinner machte sich über seinen Hamburger her und fragte: »Wie viel braucht sie diesmal?«
    »Tausend Kröten«, antwortete sein Sohn.
    »Und wofür, wenn ich fragen darf?«
    »Zwei Kajaks.«
    »Wie hübsch«, bemerkte Skinner.
    »Mit Paddeln und Schwimmwesten.« Fry zögerte, bevor er seinem Vater den Rest erzählte. »Verstehst du, sie hat im Fischgeschäft gekündigt.«
    »Ja, ich weiß. Bloß, ich hab gehört, sie wäre gefeuert worden.«
    »Jetzt will sie so Ökotouren durchs Hinterland anbieten – Naturtrips für Leute, die Vögel beobachten wollen und so«, berichtete Fry.
    Sein Vater nahm einen weiteren Riesenbissen und grunzte.
    »Vielleicht macht sie das ja ganz gut.« Die Worte des Jungen waren loyal, klangen aber nicht überzeugt.
    »Was zum Teufel ist im Fischgeschäft passiert?«
    »Was hast du denn gehört?«
    Skinner legte den Burger hin und schmirgelte sein Kinn mit einer Papierserviette ab. »Ich hab gehört, sie ist ausgerastet und mit ’nem Holzhammer auf Louis Piejack losgegangen.«
    »Nachdem er ihr an den Busen gegrapscht hat«, meinte Fry. »Und es war kein Holzhammer, sondern ein

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