Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sumpfblüten

Sumpfblüten

Titel: Sumpfblüten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hiaasen
Vom Netzwerk:
Sammy Tigertail sich auch über die Mark-Knopfler-Gitarre freute, wenn er sie im Arm hielt, musste er an das Casino denken, von dessen greller Wand sie abgenommen worden war. Der große Osceola hätte niemals zugelassen, dass seine Stammesgenossen so einen ungeheuerlichen Ort der weißen Habgier mit dem Namen seines Volkes zierten, sehr viel wahrscheinlicher hätte er das Casino niedergebrannt.
    Doch Osceola war schon lange tot, man hatte ihn in Ketten aus seinem geliebten Florida fortgeschafft und ihn auf dem festgestampften Erdboden einer Gefängniszelle in Fort Moultrie in South Carolina verrecken lassen. Was die Dire Straits betraf, so hatte sich die Band noch zu Sammy Tigertails Grundschulzeiten getrennt.
    Düster klappte er MacCauleys Buch zu und griff nach der Gibson. Er fühlte sich weniger zwischen zwei Kulturen hin und her gerissen als vielmehr von beiden verlassen worden zu sein. Bald, das wusste er, würde der Geist des toten Touristen wieder erscheinen. Sammy Tigertail war sich sicher, dass das, was Wilson auf dem Propellerboot widerfahren war, kein gewöhnlicher Herzinfarkt gewesen war, es war vom Schöpfer des Atems so gefügt worden, um jene Ereignisse in Gang zu setzen, die jetzt dazu geführt hatten, dass der Seminole in einer milden Winternacht in den Ten Thousand Islands festsaß.
    Offenbar stellten die Großen Geister ihn auf die Probe.
    Sammy Tigertail ließ die linke Hand über die Griffleisten der Gitarre wandern, während er mit der rechten die Saiten bearbeitete. Als Plektron benutzte er eine zerbrochene Muschel, eine Hälfte einer rosig schimmernden Schale. Die Musik, die er machte, war in ihrer Dissonanz gleichzeitig melancholisch und trotzig. Die Bassklänge dröhnten einen martialischen Beat. Er spielte, bis seine Fingerspitzen brannten, dann streckte er sich neben dem Feuer auf dem Boden aus.
    Bald darauf dämmerte er ein, eingelullt vom leisen Knistern der Glut und einer Brise, die durch die Blätter wehte. Nach einiger Zeit wurde sein Schlaf durch Gesang gestört; er nahm an, dass es Wilsons Geist war, der zurückkehrte, um ihn zu plagen. Wer sonst würde mitten in der heiligen Stille der tiefen Nacht »Ninety-nine bottles of Beer« grölen?
    Doch Wilson zeigte sich nicht, und der unsichtbare Chor wurde lauter. Bald konnte Sammy Tigertail mehrere Stimmen ausmachen, einige davon waren unverkennbar weiblich.
    Er setzte sich auf und begriff, dass es kein Traum war – der Wind hatte gedreht und trug nicht nur die Musik des weißen Mannes, sondern auch johlendes Gelächter und den scharfen Geruch von flüssigem Grillanzünder herbei. Hastig erhob sich der Seminole und schob mit dem Fuß Sand über sein Lagerfeuer. Dann lud er sein Gewehr und schlich gegen den Wind in die Dunkelheit. Er war kein erfahrener Spurenleser und er war in der Wildnis nicht besonders leichtfüßig, doch sein Herz war wahrhaftig, und im Zielen wurde er immer besser.
     
    Lily Shreave hatte nicht erwartet, ihren Mann vorzufinden, als sie durch die Haustür trat.
    »Was machst du denn hier? Es ist halb sieben – du kommst zu spät zur Arbeit«, sagte sie.
    »Ich hab mich krankgemeldet«, antwortete Boyd Shreave. »Du hattest Recht. Wir müssen reden.«
    »So, so.« Lily bedeutete ihm, auf der Couch Platz zu nehmen. »Ich mach mir einen Cocktail. Willst du auch einen?«
    Ihr Mann erwiderte: »Auf keinen Fall«, und setzte sich. Er fühlte sich sicherer als bei ihrer ersten Unterredung, da er sich jetzt eine überzeugendere Erklärung für sein mönchisches Verhalten ausgedacht hatte. Umfangen vom Nebel seiner Eitelkeit, glaubte Shreave, Lilys schwelendes Verlangen nach ihm sei echt. Er wäre wie vor den Kopf geschlagen gewesen, hätte er gewusst, dass sie soeben von einem Privatdetektiv kam, der Beweise für eine Scheidung sammelte.
    Als Lily wieder ins Zimmer kam, nippte sie an einem Martini. Außerdem hatte sie sich bis auf einen knallroten Stringtanga ausgezogen.
    »Also.« Sie stellte ihren Drink hin und setzte sich rittlings auf ihn. »Reden wir.«
    Doch Shreave konnte nicht sprechen. Stumm und regungslos saß er da, als Lily beide Fäuste gegen sein Brustbein stemmte und anfing, sich wie der Kolben einer Maschine an seinem Unterleib zu reiben. Dass ihr Drehen und Winden ihn an Eugenie Fonda erinnerten, wäre nicht so verwirrend gewesen, wenn er gewusst hätte, dass seine Frau erst vor einer Stunde die aufrechte Haltung seiner Geliebten beim Sex auf einem Video studiert hatte, das ein Privatdetektiv durch

Weitere Kostenlose Bücher