Sumpfblüten
Kellner: »Ich nehme das Hähnchenstreifen-Sandwich mit extra Majo.«
Della funkelte ihn finster an. »Willst du, dass ich mich übergebe? Extra Majo?«
»Wie kommst du darauf, dass ich gefeuert worden bin?«
»Weil du dich nur dann mit mir zum Lunch triffst, wenn du miserable Neuigkeiten hast und nicht willst, dass ich mich aufrege. Du weißt verdammt noch mal sehr gut, dass ich in einem Restaurant nicht laut werde.«
Boyd Shreave zuckte die Achseln. »Letztes Mal hast du mich einen faulen Sack Maultierscheiße genannt.«
»Ja, aber leise.« Della rührte ihre Jumbo Cola Light mit einem Strohhalm um. »Also, zu was wirst du befördert – stellvertretender Leitender Telefon-Lästling?«
»Teamleiter«, log Boyd Shreave leutselig. Nicht einmal der Spott seiner Mutter konnte seine sonnige Stimmung trüben. Er flog mit Eugenie Fonda auf und davon!
»Und weißt du, was noch?«, sagte er. »Ich hatte letzten Monat die meisten Treffer von allen Verkäufern, also schickt mich Relentless auf Gratisurlaub nach Florida.«
Della musterte ihn zweifelnd. »Wo in Florida?«
»Die Gegend heißt die Ten Thousand Islands.«
»Nie gehört. Wie viele, sagst du?«
»Tausende. Ist genau wie die Bahamas«, erläuterte Boyd Shreave. Das war es, was die Telemarketing-Frau zu ihm gesagt hatte, und das war es, was er glaubte.
»Dein Vater und ich haben unsere Flitterwochen in Nassau verbracht«, meinte Della wehmütig. »Da hat es mir so gut gefallen, dass ich deine beiden Stiefväter dazu gebracht habe, mit mir auch dorthin zu fahren.«
Mit Grausen wurde Boyd Shreave klar, dass seine Mutter es darauf anlegte, ihn zu begleiten. »Ich wünschte, ich könnte dich mitnehmen«, meinte er verkniffen, »aber sie haben mir nur ein Ticket zugestanden.«
»Und du kannst nicht für noch eins berappen? Jetzt, wo du diese dicke, fette Gehaltserhöhung gekriegt hast?«
Shreave fühlte, wie sich Schweiß unter seinem Kragen sammelte. »Mom, das ist eine Reise auf Firmenkosten. Ich kann nicht mal Lily mitnehmen.«
Della Shreave Renfroe Landry brummte und griff nach den Crackern für die Suppe. »Boyd, vögelst du mit jemandem von der Arbeit rum?«
Er umklammerte die Tischkante. »Was?«
Della nagte an der Zellophanverpackung der Cracker. »Ach, komm schon«, sagte sie. »Wer verschenkt denn einen Gratisurlaub, wo man seine Frau nicht mitnehmen kann, nicht mal seine Mom? So wie ich dich kenne, könntest du mit irgendeiner dämlichen Schlampe aus dem Callcenter durchbrennen.«
Boyd war schockiert, sich erwidern zu hören: »Sie ist keine Schlampe. Sie ist eine von den Fondas.«
Sein impulsiver Wahrhaftigkeitsausbruch machte es amtlich: Wie eine Eidechse hatte er seine alte Haut abgestreift. Am liebsten hätte er auf dem Tisch getanzt.
»Das ist nicht witzig«, japste seine Mutter. Sie konnte sich ihren chronisch unmotivierten Sohn nicht als Schürzenjäger vorstellen.
»Wenn du Lily davon erzählst«, drohte Shreave, »verzeihe ich dir das nie.«
Der Kellner brachte ihre Sandwiches. Della setzte sich zurecht und fragte: »Also, sieht dieses Mädchen wenigstens so aus wie Jane?«
»Mehr wie Bridget. Nur größer.«
»Hast du ein Foto?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich mein’s ernst – wenn du mich verpetzt, wird es dir noch leidtun. Jeder hat so seine hässlichen kleinen Geheimnisse.«
Delias Sohn brauchte nicht deutlicher zu werden. Sie hatte ihren letzten Ehemann betrogen, mit einem der Hospizarbeiter, die ihn während seiner letzten Tage betreut hatten. Würde der Vorfall bekannt, so würde das mit Sicherheit Landrys erwachsene und hochgradig prozessfreudige Nachkommen in Rage bringen. Es standen noch immer ein paar Dollar zur Testamentsbestätigung aus, auf die Della nicht verzichten wollte.
»Natürlich sage ich kein Wort«, beteuerte sie. »Aber jetzt mal im Ernst, Boyd, wo soll das hinführen?«
»Ins Glück, Mom. Wohin denn sonst?«
Er biss in die Hähnchenstreifen und lächelte; Majoperlen glänzten auf seinem Kinn.
Während Fry die Kajaks schrubbte, setzte Honey Santana sich hin, um einen Brief an die Marco Island Sun Times zu schreiben, darüber, was Louis Piejack zugestoßen war. Einer von Honeys ehemaligen Therapeuten hatte ihr geraten, das zu tun, wenn sie sich aufregte. Der Therapeut hatte gesagt, schreiben sei eine gesunde, sozial akzeptable Methode, seinem Zorn Ausdruck zu verleihen.
Bis jetzt waren 43 von Honeys Briefen in 13 verschiedenen Zeitungen veröffentlicht worden, unter anderem in der Naples
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