Sumpffieber (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
darauf geachtet, das Erscheinungsdatum nicht abzuschneiden. Es war der 8. August 1956. Die Schlagzeile lautete: GEWERKSCHAFTSFÜHRER GEKREUZIGT AUFGEFUNDEN.
Helen drehte das Glas auf den Kopf und zog den Umschlag aus der Öffnung. Der Klebestreifen des Kuverts war noch intakt. Ich schlitzte es mit meinem Taschenmesser auf und schüttelte drei Schwarzweißfotos aus der Hülle.
Auf zwei Bildern lebte Jack Flynn noch. Auf dem einen war er auf Händen und Knien, während Männer mit schwarzen Kapuzen verschwommen abgebildete Ketten auf seinen Rücken schlugen; auf dem anderen packte ihn eine Hand im Haar und hielt sein Gesicht in die Kamera, um sein zerstörtes Gesicht abzulichten. Aber auf dem dritten Foto war seine Qual zu Ende. Sein Kopf lag auf seiner Schulter, die Augen waren nach oben weggerollt, seine mit Nägeln durchbohrten Arme auf der Scheunenwand ausgebreitet. Drei Männer mit Kapuzen sahen über die Schulter zurück in die Kamera, einer deutete auf Flynn, als wolle er dem Zuschauer eine Lektion erteilen.
»Damit können wir wirklich gar nix anfangen«, sagte Helen.
»Der Mann in der Mitte. Schau dir den Ringfinger der linken Hand an – er fehlt. Direkt über dem Handwurzelknochen abgeschnitten«, sagte ich.
»Kennst du den?«
»Es ist Archer Terrebonne. Seine Familie hat den Mord nicht einfach nur in Auftrag gegeben. Er hat geholfen, ihn zu vollstrecken.«
»Dave, wir haben kein Gesicht zu dieser Hand. Ist kein Schwerverbrechen, wenn einem ein Finger fehlt. Sieh mich an. Eins nach dem anderen, war doch immer unsere Devise, ja? Hörst du mir überhaupt zu, Streak?«
28
Es war eine Stunde später. Terrebonne war nicht zu Hause gewesen, aber ein Hausmädchen hatte uns gesagt, wo wir ihn finden konnten. Ich parkte den Streifenwagen unter den Eichen vor dem Restaurant am Highway und machte den Motor aus. Wasser triefte aus dem Bäumen und strömte über die Motorhaube.
»Dave, tuʼs nicht«, sagte Helen.
»Jetzt ist er im Bezirk Iberia. Geht mir verdammt gegen den Strich, diese Fotos in einem Aktenschrank in St. Mary verrotten zu sehen.«
»Wir machen Kopien davon, und dann sehen wir weiter. Alles der Reihe nach.«
»Dann geht er uns durch die Lappen.«
»Kennst du viele reiche Jungs, die Sojabohnen in Angola anbauen? Ist der Gang der Dinge.«
»Nicht in diesem Fall.«
Ich ging ins Foyer, wo Gäste in Ledersesseln auf einen freien Tisch warteten, und hielt einem Maître de mein Dienstabzeichen unter die Nase.
»Archer Terrebonne ist mit einer Gesellschaft hier«, sagte ich.
Der Maître de sah mich durchdringend an, dann schweifte sein Blick zu Helen, die hinter mir stand.
»Gibt es da ein Problem?« fragte er.
»Noch nicht«, erwiderte ich.
»Verstehe. Bitte folgen Sie mir.«
Wir gingen durch den großen Speisesaal zu einer langen Tafel am hinteren Ende, wo Terrebonne mit einem Dutzend Leuten hofhielt. Die Ober hatten gerade die Shrimpcocktails abgeräumt und servierten Gumbo von einem mit Leinen eingedeckten Teewagen.
Terrebonne wischte sich mit einer Serviette den Mund ab und wartete, bis eine Dame in Blau an seiner Seite zu sprechen aufhörte, bevor sein Blick zu mir schweifte.
»Na, was haben Sie denn heute so Wichtiges auf dem Herzen, Mr. Robicheaux?« fragte er.
»Harpo Scruggs hat Ihnen ans Bein gepinkelt«, sagte ich.
»Sir, würden Sie sich bitte ...«, sagte der Maître de.
»Sie haben jetzt Sendepause. Verduften Sie«, sagte Helen.
Ich legte die drei Fotos auf das weiße Tischtuch.
»Das in der Mitte sind Sie, Terrebonne. Sie haben Jack Flynn mit Ketten geschlagen, ihn an Hand- und Fußgelenken an die Scheunenwand genagelt und die Last der Schuld Ihrer Tochter aufgebürdet. Sie kotzen mich an, Sir«, sagte ich.
»Ihr Benehmen ist inakzeptabel!«
»Stehen Sie auf!« befahl ich.
»Was?«
»Tun Sie lieber, was er sagt«, meldete sich Helen hinter mir.
Terrebonne wandte sich an einen Herrn mit silbergrauer Mähne zu seiner Rechten. »John, würden Sie bitte den Bürgermeister zu Hause anrufen?«
»Sie sind verhaftet, Mr. Terrebonne. Der Bürgermeister wird Ihnen auch nicht helfen«, sagte ich.
»Mit Ihnen, Sir, gehe ich nirgendwohin. Wenn Sie mich noch einmal anfassen, verklag ich Sie wegen Körperverletzung«, sagte er und unterhielt sich seelenruhig weiter mit der Dame in Blau zu seiner Linken.
Vielleicht war es der lange Tag oder die Tatsache, daß die Fotos mir das Leiden von Jack Flynn so drastisch vor Augen geführt hatten, ein Leiden, das im Lauf der Zeit
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