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Suna

Suna

Titel: Suna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ziefle Pia
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das so«, sagte Frau Jost, unangenehm berührt.
    »Ich nicht«, sagte Julka.
    »Es wäre eine Möglichkeit. Sie könnten sich in Ruhe einig werden mit dem Kindsvater, vielleicht heiraten und das Kind dann zu sich holen. Wir helfen mit den Papieren.«
    Kindsvater. Wie das klang. Deutsch klang das und deutsch war die ganze Idee, dachte Julka. Wem sollte sie das Kind denn auch überlassen? Tante oder Schwägerin in der Heimat vielleicht? Die würden sich bedanken.
    Frau Jost mochte das dünne Mädchen gerne, vom ersten Tag an. Sie mochte es, wie sie sich einsetzte für die anderen, wie gut sie Deutsch sprach, wie sie für die anderen Frauen übersetzte. Vielleicht ließe sich eine Arbeit im Büro finden, wenn sie schreiben kann, so dachte Frau Jost. Und sie dachte an die kleine Wohnung ihrer kürzlich verstorbenen Mutter, zwei Zimmer, eine kleine Küche, ein Bad, perfekt für eine schwangere Frau. Die Nachbarn teilweise Kolleginnen aus der Fabrik.
    »Eine Wohnung?«, fragte Julka entgeistert auf Serbisch.
    »Bitte?«, fragte Frau Jost.
    »Wohnung? Für mich?«
    »Und für den Vater, wenn Sie wollen«, sagte Frau Jost.
    »Ohne Papiere?«
    »Ohne Papiere.«
    Kamil traute seinen Augen nicht, als er die Wohnung sah. Er, der die letzten Jahre in Männerunterkünften mit Sechsbettzimmern, Minimum, verbracht hat.
    »Wir können ein Schlafzimmer haben«, sagte er, »und eines für Gäste! Wir haben eine Küche und ein Badezimmer!«
    Er umarmte Julka so vorsichtig wie möglich. Auch wenn man noch nichts sah vom Kind, er wusste, wie es ist mit schwangeren Frauen: Man musste vorsichtig vorsichtig sein mit ihnen.
    Die neue Wohnung machte es ihm unmöglich, mit Julka zu reden.
    Jeden Sonntag kam Do ğ an und bewunderte das neue Leben seines kleinen Bruders. Fragte jedes Mal nach der Miete: »So wenig!«, rief er jedes Mal aus. Fragte nach Julkas Übelkeit, bis keine mehr da war, und sie langsam runder wurde.
    »Da wächst ja doch mehr als nur eine Maus«, sagte er zu ihr.
    Mit Ingrid hatte sie sich angefreundet, einer älteren Frau aus dem Nachbarhaus. Manchmal ging sie mit ihr zu Andrusch, dem einzigen kroatischen Wirt in der Stadt. Aber lieber war sie abends daheim mit Kamil, der seinen Kopf auf ihren Arm legte, die Hand auf den Bauch und mit seiner Tochter sprach.
    Woher er so sicher war? Keiner wusste es.
    »Emine wird sie heißen«, sagte er, »wie meine Mutter, das ist Tradition bei uns.«
    »Hast du es erzählt, zu Hause?«, fragte Julka.
    Sie hat nämlich geschwiegen, weil sie dachte, die Tante nähme ihr das Kind weg, und dann müsste sie alleine zurück hierher, und wie sollte sie leben mit Kamil, ohne das Kind?
    »Wir könnten heiraten«, sagte er eines Abends.
    »Geht das?«, fragte Julka.
    »Wir fragen Frau Jost, die weiß alles«, sagte Kamil und rauchte aus dem Küchenfenster raus, damit Julka den Rauch nicht abbekam, aber da stand sie schon neben ihm, aufgeregt und wollte auch eine haben.
    »Ist das dein Ernst?«, fragte sie.
    Vielleicht wäre das ja eine gute Idee, sie könnten eine Weile von seinem Gehalt leben, bis das Kind alt genug wäre, und Ingrid hatte schon gesagt, sie könne es stundenweise nehmen.
    »Es ist mein Ernst«, sagte Kamil und vergaß und schob beiseite die Wahrheit, die tonnenschwer auf jedem seiner Worte lastete. Aber was sind schon Worte, die lassen sich leicht aussprechen.
    Er ging in die Kneipe auf der anderen Straßenseite und trank ein Bier oder zwei oder drei mit Ahmed, den er seit Kindertagen kannte und den es ebenfalls nach Deutschland verschlagen hatte, in diese Stadt, in diese Fabrik.
    Aber ganz anders als Kamil musste Ahmed noch auf ein Kind warten, es waren einsilbige Gespräche, was das betraf.
    »Meine Frau lässt sich scheiden, wenn wir nicht bald eins bekommen«, sagte Ahmed jeden Abend.
    »Wenn du hier säufst, statt bei ihr zu sein, hat sie allen Grund dazu«, sagte Andrusch, der Wirt, zu ihm.
    Dann kam der Brief aus Ankara.
    Amtlich, dick und schwer.
    Kamil machte ihn nicht auf.
    »Der Brief«, sagte Julka.
    »Egal«, sagte Kamil.
    »Es sieht wichtig aus«, sagte Julka.
    »Egal«, sagte Kamil.
    »Vielleicht wegen deinem Aufenthalt«, sagte Julka.
    »Egal«, sagte Kamil.
    »Nicht egal!«, schrie Julka und nahm den Brief und rannte aus der Wohnung zu Andrusch rüber. Wird schon einer heut saufen von denen, die Türkisch können und Deutsch, und ihr sagen, was da drinsteht.
    Aber da war Kamil schnell wie ein Wiesel hinter ihr her auf die Straße gerannt, ein Auto bremste gerade

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