SunQuest - die Komplettausgabe 2800 Seiten zum Sonderpreis: Dies Cygni und Quinterna (German Edition)
änderte sich. Statt hektisch und laut schnatternd bewegten sich die Leute nun schlendernd durch die Gassen. Hier und da bildeten sich Grüppchen – eng beisammenstehend, tuschelnd, im Verborgenen tändelnd. Aber wo um alles in der Welt schliefen all die Wesen?
Shanija hatte sich über verschiedenste Hängebrücken und Verbindungsplanken gewagt und war bereits in der vierten oder fünften Etage angelangt, als sie endlich das Aushängeschild einer Herberge entdeckte.
Haus zur feuchten Aussicht
stand dort auf einer schräg über die Tür genagelten Latte. Nicht ganz das, was sich die ehemalige Kommandantin als Unterkunft vorgestellt hatte, aber hier gab es wohl Betten, also ging sie hinein.
»Na, Täubchen, suchst du ein Plätzchen zum warmhalten oder willste arbeiten?« Das dreckverschmierte Gesicht eines jungen Mädchens tauchte hinter dem Tresen des winzigen Empfangszimmers auf.
Die ist keinesfalls älter als fünfzehn!
, dachte Shanija.
»Was ist, hat dir wer die Sprache geklaut?«
Shanija schluckte ihr Erstaunen hinunter und versuchte sich von eingefahrenen Wertevorstellungen freizumachen.
Alter hin oder her, so selbstbewusst, wie die auftritt, habe ich es hier mit der Herbergsmutter tun
.
»Ich brauche ein Bett für mich und zwei Begleiterinnen, sonst nichts.«
»Sonst nichts? Pah! Hast du’s nicht gesehen? Die Leute da draußen? Das sind Kunden! Dutzende von zahlungskräftigen geilen Kerlen! Für geschniegelte Rührmichnichtans sind mir die Zimmer zu schade.«
»Nur für eine Nacht«, versuchte es Shanija freundlich und zeigte einen Teil der lila Murmeln, die As’mala vor der Trennung an sie verteilt hatte.
»Und
dafür
blockiert ihr stundenlang die Matratzen? Nee, Täubchen, das is zu wenig. Sieben Om pro Kopf, für ’nen ruhigen Platz müsst ihr schon was springen lassen. Zehn für die Luxus-Suite mit Waschschüssel.«
Shanija wühlte in den Taschen und zählte ihr Vermögen. »Achtzehn Murmeln für drei Personen inklusive Badeutensilien, mein letztes Wort.«
Mit einem Lächeln, das zwei geschwärzte Zahnleisten zum Vorschein brachte, klatschte das Mädchen einmal schallend in die Hände. Und im nächsten Augenblick fand sich Shanija draußen vor der Tür wieder.
»Das heißt wohl Nein.«
Shanija fühlte ihre Disziplin schwinden. Zähe Ausdauer und Siegeswillen waren seit ihrer frühesten Kindheit Eigenschaften gewesen, auf die sie stolz war. Sie hatte in der Ausbildung gebüffelt, bis zur Erschöpfung trainiert, hatte sich innen wie außen gestählt – aber gegen Magie … wie sollte man gegen Magie vorgehen? Auf Situationen, bei denen regelmäßig das Unmögliche möglich wurde, war sie nicht vorbereitet.
»Ich hasse diese Hilflosigkeit! Ich hasse, hasse,
hasse
sie! Es ist doch sinnlos. Ich bin in einem Schauermärchen gelandet und hängen geblieben. Mit dem rettenden Schlüssel gegen die Quinternen in der Hand, aber über hundert Lichtjahre von der Erde entfernt.«
Tränen sammelten sich in Shanijas Augenwinkeln. Hastig wischte sie sich über das Gesicht, ließ die Schultern hängen, lehnte sich mit zurückgelegtem Kopf gegen eine Handkarre und blickte in den von Schlieren durchzogenen Nachthimmel. Meat und Meadow pflügten durch das Firmament und zogen einen Dunstschleier aus Dunkelrot und Grün hinter sich her. Töne mischten sich in das Farbenspiel – ein Summen so fesselnd wie die Seidenfäden einer Spinne.
Chuck. Was würde ich darum geben, wenn du hier wärst. Vielleicht habe ich es nie gesagt, aber deine Freundschaft hat mir in Krisensituationen Halt gegeben. Deine Scherze haben mich aufrecht gehalten, wenn ich drohte, an mir und meiner Aufgabe zweifeln. Wer reicht mir jetzt die Hand?
Je intensiver die säuselnde Melodie wurde, umso tiefer versank Shanija in Gefühlen und Traumbildern. Szenen aus früher Zeit, geprägt von Angst und Wut. Heruntergekommene Straßenzüge, Armut, Kämpfe rivalisierender Banden. Die Zeit ihrer Jugend. Die Erinnerung mischte sich mit dem Jetzt. Eine endlose Wendeltreppe wuchs zwischen den Wolkenkratzern von Washington-York-State in den düsteren Sternenhimmel.
Und auf ihr, ganz am Ende wartete dieser Mönch in seiner dunkelblauen Robe. Reglos. Lauernd. Bedrohlich.
Einer düsteren Statue gleich schwebte er auf sie zu. Wurde größer und größer, bis das gesichtslose Nichts unter der Kapuze sie verschlang.
Erlöse mich
, bat Colonel Ran.
Rette mich aus dem ewigen Kampf. Schließ mich in die Arme und nimm mich in dir auf
.
»Stopp, halt, Pause!«,
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