SunQuest - die Komplettausgabe 2800 Seiten zum Sonderpreis: Dies Cygni und Quinterna (German Edition)
nächsten Verhandlungen, diesmal mit einem Verkäufer von Trockenfrüchten und Dörrfleisch.
Nach einem halben Dutzend weiterer Stationen erwartete Mun jeden Moment den Zusammenbruch dieser zierlichen Frau, so voll bepackt quälte sie sich den schwankenden Pfad hinauf, über eine Hängebrücke und auf der anderen Seite eine schräge, breitstufige Sprossenleiter wieder hinunter.
Mittlerweile waren sie im blauen Viertel angelangt. Hier machten die Marketender und Straßenhändler einer anderen Sorte von Verführern Platz. In kleinen, aus farbenfrohem Stückwerk zusammengebauten Logis hockten verschrumpelte Mütterchen, klapprige Greise, aber auch Mädchen, die noch die unschuldige Röte der Kindheit auf den Wangen trugen, eins neben dem anderen, und warteten auf Kundschaft.
Die Schilder und Aushänge versprachen eine spirituelle Direktleitung zu Gott, Erleuchtung durch Tandra, das Brauen von Liebestränken, wirksame Verwünschungen, Heilsalben, Glücksbringer, Verstärker der Manneskraft oder der jeweiligen Psimagie. Es gab Souvenirläden, Fakire, die sich mit einem Nagelbrett geißelten und jede Menge Prediger und Verkünder.
»Die Zeit ist nah! Der Ewige wird kommen und die Welten vereinen. Er wird uns erlösen von unserem Wurmdasein! Folgt Aliandur, nur er hat die Gabe. Er allein spricht mit unserem Herrn und wird uns ins Paradies führen!«
Der Redner in schwarzer Robe packte Mun an der Schulter und blickte ihn mit seinen riesigen Glubschaugen an. Die geschlitzten Pupillen schlossen und öffneten sich ruckartig, die gespaltene Zunge des Echsenartigen huschte über den Lippenrand. »Was ist mit dir, Bruder? Willst du nicht auch von Durs Hand beschützt werden, wenn das Kontinuum den Weg zwischen den Welten frei gibt?«
Mun griff die Hand des Dur-Anhängers, drehte dessen Handfläche nach oben und bog sie ihm nach außen – eine leichte Selbstverteidigungstechnik, die Alman a Sant ihn gelehrt hatte.
Der Kuntar stöhnte auf vor Schmerzen und senkte den Blick. »Vergebt mir, ehrwürdiger Adept. Ich bin nur ein dummer Diener im Dienst des Erlösers, Ihr dagegen seid wissend und über solch banale Tricks wie den meinen erhaben. Das sehe ich jetzt und verneige mich.« Demütig zog er den Kopf ein und züngelte.
Mun war versucht, ihn noch tiefer zu zwingen, doch ihm blieb keine Zeit. Aus den Augenwinkeln sah er, wie die Prinzessin in einem Geschäft verschwand. Er ließ von der Echse ab, zog seine Kapuze ins Gesicht und trat einen Augenblick später ebenfalls in
Lillys Schatzkammer
ein.
Wo steckt sie?
Mun schlich an Regalen mit Salben und Tinkturen für ewige Schönheit, Reichtum und immerwährende Ekstase vorbei, wühlte sich durch einen Vorhang aus erdfarbenen Tüchern, doch die Prinzessin war spurlos verschwunden.
Hatte sie ihn bemerkt? Konnte sie sich mithilfe der Sonnenkraft unsichtbar machen? Mun wusste es nicht. Niemand wusste, was diese sagenumwobene Kraft bewirkte. Angebliche Augenzeugen berichteten von einem Ausbruch in Castata. Ein verheerender Feuersturm in Form eines gigantischen Drachen – so erzählte man sich.
In seine Überlegungen versunken drückte Mun einen Bastvorhang zur Seite und ... erstarrte. Da stand die Prinzessin – nackt, makellos, wie aus Porzellan gegossen.
»Hey! Diese Umkleide ist besetzt!« Ihre Augen blitzten auf und statt ihre Blöße zu bedecken griff sie ihn an und stieß ihn heftig zurück. Ein eiskalter Hauch wehte durch die Kabine.
Mun stolperte rückwärts, verhedderte sich in einem Ständer mit bestickten Hemden, riss bei seiner Flucht ein Gestell mit hölzernen Schlangenimitaten um und tauchte einen Moment später im Strom der Fußgänger unter.
So wunderschön. Ich meine, sie ist eindeutig psimagisch hochbegabt. Aber nicht die Trägerin der Sonnenkraft!
, dachte Mun. Es war wohl sein Herz gewesen, das die Wahl getroffen hatte.
Verfluchte Menschlichkeit
.
Er bohrte sich die Fingernägel in den Unterarm. Schmerz schoss durch seine Glieder und löste die übrigen Gefühle auf. Welche der beiden anderen Frauen war die Richtige? Wie sollte er sie im Getümmel ausfindig machen?
Zugkarten!
, erinnerte sich Mun.
Die Blonde, As’mala, wollte Zugkarten besorgen, und dafür braucht sie eine Reisegenehmigung. Also kann sie nur an einem Ort sein
.
Ein Dutzend Aufzugsfahrten mit der Seilwinde und der Überquerung einer der wenigen stabilen Holzbrücken später stand Mun im obersten Stockwerk des lila Viertels.
Mit etwas Glück hatte sich As’mala noch nicht bis hierher
Weitere Kostenlose Bücher