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SunQuest - die Komplettausgabe 2800 Seiten zum Sonderpreis: Dies Cygni und Quinterna (German Edition)

SunQuest - die Komplettausgabe 2800 Seiten zum Sonderpreis: Dies Cygni und Quinterna (German Edition)

Titel: SunQuest - die Komplettausgabe 2800 Seiten zum Sonderpreis: Dies Cygni und Quinterna (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Schwartz
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den Lippen vor dem neuen Spiegel und bürstete ihre Haare.
    Vor der Kommode stand ein hochlehniger Stuhl. Es kostete Mun sämtliche Kraft, das Möbelstück anzuheben und zum Fenster hinüber zu tragen. Wenn er den Stuhl einfach über den Boden gezogen hätte, hätten ihn die Räuber garantiert gehört.
    Er hatte unglaubliches Glück. Die riesige Gestalt huschte wie ein Schemen an der Tür zum Schlafzimmer vorbei. Der Räuber hatte sich offenbar dazu entschlossen, zunächst noch einmal Küche und Speisekammer zu inspizieren. Vielleicht hoffte er auf die Entdekkung einer übersehenen Flasche mit Hochprozentigem. Auf jeden Fall wandte er nicht einmal den Kopf, um in das Schlafzimmer hinein zu sehen.
    Mun erklomm den Stuhl und streckte den Kopf aus dem Fenster. Das flackernde Licht der Fackeln erreichte den Seitenhof nur noch abgeschwächt. Große Teile des Areals lagen in schattigem Zwielicht – vor dem sich der Junge zum ersten Mal in seinem Leben nicht fürchtete, denn diesmal verhieß es Schutz und Sicherheit.
    Die Erleichterung und der sanfte, sein erhitztes Gesicht kühlende Nachtwind verliehen Mun neue Kräfte. Über den Seitenhof konnte er – den gemauerten Brunnen als Deckung nutzend – die Scheune erreichen und von dort auf den schmalen Weg wechseln, der zur Stadt führte. Mit einem letzten Ruck stieß er sich ab, um sich über das Fenstersims nach draußen zu schwingen.
    Das Poltern hinter ihm klang wie ein Schuss aus Paps Jagdflinte. Mun kam es so vor, als könne man es bis nach Kalamarrn hören. Der Stuhl! Wie konnte er nur so unachtsam sein! Er hatte ihn beim Klettern aus dem Fenster mit seinen Füßen umgestoßen, und wenn die beiden Räuber nicht taub waren, dann war seine Flucht beendet, bevor sie begonnen hatte.
    Aus!
, dachte Mun.
Alles aus!
    Aus dem Schlafzimmerfenster drangen trampelnde Schritte und lautes Rufen.
    Mun rannte, so schnell er konnte über den staubigen Boden des Seitenhofs. Zitternd presste er sich an die aus grob behauenen Steinen bestehende Umrandung des Brunnens, den sein Urgroßvater mit eigenen Händen gegraben hatte. Die Mauer mit dem darüber angebrachten Holzgerüst und der primitiven Seilwinde war einen guten Meter hoch. Abgesehen von dem Werkzeugschuppen hinter der Scheune war der Brunnen der einzige Ort auf der Farm, an dem es Mun verboten war zu spielen. Der Brunnenschacht reichte mehr als dreißig Meter in den Erdboden hinein und konnte für einen übermütigen Sechsjährigen schnell zur Todesfalle werden.
    »Kannst du etwas sehen?«, fragte die Stimme, die Mun bereits im Haus gehört hatte und inzwischen kannte.
    »Nein«, lautete die Antwort. »Es ist zu dunkel. Sag du Gorl Bescheid. Er soll ein paar Männer mit Fackeln schicken. Ich bleibe hier und schaue mich weiter drinnen um.«
    Mun drehte hastig den Kopf. Wenn er jetzt die Deckung des Brunnens verließ, um zur Scheune hinüber zu rennen, würde man ihn trotz der herrschenden trüben Dämmerung entdecken. Sein Blick wanderte hektisch am Zaun des Garek-Geheges entlang – und blieb an einer reglosen Gestalt hängen.
    Es war das zweite Mal an diesem furchtbaren und einfach nicht enden wollenden Tag, dass die Zeit stehen zu bleiben schien. Mun fühlte, wie sich eine eisige Kälte von seiner Brust aus in alle Richtungen ausbreitete und seinen Körper erstarren ließ. Der Junge glaubte das trockene Knistern zu hören, mit dem sich der Frost in ihm ausbreitete, seine Glieder gefühllos machte. Sein Verstand weigerte sich, das, was er sah, zu akzeptieren. Weigerte sich zu glauben, dass Menschen anderen Menschen so etwas antun konnten. Er konnte den Blick nicht abwenden. Wie hypnotisiert starrte er auf seine Mutter, die kaum zwanzig Meter entfernt und doch unerreichbar war.
    Mams Handgelenke waren über ihrem Kopf an einen Querbalken des Zauns gefesselt. Die langen Haare hingen ihr wirr ins Gesicht und ihr Kleid war über der Brust zerrissen. Sie hatte die Augen geschlossen; über ihre rechte Wange verlief ein blutiger Schnitt. Auch der Saum ihres Rockes war zerfetzt. Die nackten Beine der Frau wiesen zahlreiche Schrammen und Schürfwunden auf.
    Mun wollte aufspringen, wollte zu seiner Mutter laufen und sie in die Arme nehmen, denn dann würde alles gut werden, so wie stets alles gut wurde, wenn sie
ihn
in ihre Arme nahm. Aber er konnte es nicht. Wie schon zuvor beim Anblick des toten Vaters war er nicht in der Lage, auch nur einen Finger zu rühren.
    »Los!« Die Stimme klang laut, hart und befehlsgewohnt. »Auf die

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