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nicht auf. »Da waren Leute …«, wisperte Shanija unterwegs. »Mit Kutten und Kapuzen … ganz seltsame, mit starker Psimagie …«
»Gewiss nicht so stark wie deine«, brummte die Diebin, die sich im Augenblick nicht dafür interessierte. Sie schleppte die Gefährtin in eine Seitengasse und machte sich schließlich an dem Schloss einer Eingangstür zu schaffen. »Verflucht, es geht wieder nicht«, schimpfte sie.
Anscheinend gab es keine psimagischen Strömungen mehr. Shanija konnte es nicht feststellen, sie fühlte sich völlig taub und leer.
Trotzdem konnte das Schloss nicht lange standhalten, als As’mala Geschick und Erfahrung einsetzte, und bald darauf tappten sie durch einen schmalen, dunklen Gang, in dem es muffig roch. »Er ist nicht da«, murmelte die Diebin. »Gut, das erspart Fragen. Außerdem habe ich kein Geld bei mir, nicht einmal eine Sichel.«
Sie stieß die Tür zu einer Art Laboratorium auf und lud Shanija ächzend in einem verschlissenen, wenig einladenden Sessel ab. Dankbar rieb sie sich die Schulter und atmete durch.
Der Raum war vollgestopft mit Testreihen, Zetteln und Büchern. Alles starrte vor Dreck, bis auf einen hohen, schweren Holzschrank mit zwei Glastüren, in dem fein säuberlich aufgereiht beschriftete Flaschen unterschiedlicher Größe und Formen standen, mindestens einhundert.
»Was habe ich getan?«, fragte Shanija leise, während As’mala das Schloss zu dem Schrank knackte und nach dem richtigen Mittel suchte. Sie kauerte zusammengesunken im Sessel, zu schwach, um sich zu rühren. »Was ist mit mir passiert?«
As’mala warf ihr einen undeutbaren Blick zu. »Ich weiß es nicht. Es gibt Legenden über eine solche Kraft, wie du sie gezeigt hast. Sie soll die stärkste von allen sein. Ich habe allerdings nie etwas drauf gegeben, weil es zu sehr wie ein Märchen klang.«
»Du meinst, weil es energetisch war?«
»Vermutlich. Vergiss das jetzt, wir sind noch immer in höchster Gefahr.« As’malas Gesicht hellte sich auf, als sie endlich das Gesuchte fand. Sie entkorkte das Fläschchen, schnupperte und nickte, bevor sie es zu Shanija brachte.
Die machte ein misstrauisches Gesicht, aber die Gefährtin ließ keine Diskussion zu. Sie setzte das Fläschchen an Shanijas Lippen und zwang sie, den Inhalt zu schlucken.
Einen Moment lang glaubte Shanija, es würde ihr die Eingeweide nach außen stülpen, und sie nahm sich zusammen, um nicht zu husten und sich gleichzeitig zu übergeben. Bald darauf aber fühlte sie sich tatsächlich besser, sie konnte sogar das Blut wieder in Armen und Beinen zirkulieren spüren. As’mala hatte Recht gehabt, sie würde nicht sterben.
»Du könntest doch einfach abhauen«, sagte sie, als As’mala durch den Raum streifte und sich allerlei Zeug in die Taschen stopfte.
»Klar, in der Stunde der Not lässt man einander immer im Stich«, brummte die Diebin. »Gesetz der ehrenwerten Bürger, oder?«
»Wir kennen uns doch kaum.«
»Dafür haben wir aber eine Menge gemeinsam erlebt und durchgemacht. Jetzt hör auf mit dem blöden Gequatsche und sieh zu, dass du auf die Beine kommst! Ich will weg hier, so weit fort wie möglich von dem Scheiß-Kastraten. Seine Rache für all das hier wird fürchterlich sein. Wenn die Leute schlau sind, hauen sie alle ab, und wir vorneweg.«
Shanija bewegte vorsichtig die Arme und setzte sich auf. Dann blinzelte sie staunend, als sie plötzlich sah, dass noch jemand im Raum war. Ein niedliches, plüschiges, weißes Ding tauchte hinter einem Bücherstapel auf, mit einer rosa Knopfnase, langbewimperten dunklen Augen und Löffelohren. Es witterte aufgeregt in Shanijas Richtung, zeigte in einem fast menschlichen Grinsen Nagezähne und keckerte leise. Schwanzwedelnd kam es näher, und spontan streckte Shanija die Hand nach dem putzigen Tier aus. »Was bist du denn …«
As’mala ließ alles fallen und war mit einem Satz bei ihr. »Shanija, nicht!«, rief sie und versuchte, Shanijas Hand beiseite zu schlagen. »Das ist ein Stoß-«
As’malas Hand berührte Shanijas in dem Moment, als diese die schlanken Finger in das Nackenfell des Plüschtiers tauchte.
10.
»Sie ist fort«, stellte ein Kapuzenwesen fest. »Wir haben ihre Spur verloren.«
Sie steckten die Köpfe zusammen, oder was sich sonst unter den Kapuzen befinden mochte. Eine heisere Stimme sagte: »Ich hege keinen Zweifel. Nach so vielen Jahren der Suche bin ich endlich am Ziel. Und das ausgerechnet hier, an diesem verrufenen Ort der Sünde! Andererseits: Welche
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