SunQuest - die Komplettausgabe 2800 Seiten zum Sonderpreis: Dies Cygni und Quinterna (German Edition)
waren aufgetragen. Die Düfte nach Speisen und Gewürzen würden Seiyas Sinne normalerweise angenehm benebeln, doch nach den Qualen der letzten Tage empfand sie nur noch Ekel und Übelkeit. Noch dazu war anzunehmen, dass das Fleisch nicht von Hausvieh stammte. Nur mühsam konnte sie den Drang, sich zu übergeben, unterdrücken.
Der Tätowierte zog sich zurück, aber die vier Psiwächter blieben am Eingang postiert. Seiya stellte sich seitlich an den Tisch und starrte auf den Thronstuhl, atmete nur durch den Mund, um Geruch und Anblick des Essens weitgehend auszuschalten. Wie lange sie so verharren musste, wusste sie nicht. Sie hatte jegliches Zeitgefühl verloren, und sie spürte, wie der weiße Raum in ihrem Inneren sich immer mehr ausdehnte und anfing, die Mauer aufzufressen.
Endlich bequemte sich das Oberhaupt der Sekte herein, mit weit ausgebreiteten Flügeln, und ließ sich auf seinen Sitz fallen. »Greif ruhig zu!«, sagte er und zeigte seine spitzen weißen Zähne. »Frisch gefüllter Magen ist eine Delikatesse für mich.«
Seiya rührte sich nicht, sie war wie gelähmt vor Angst. Derart hilflos ausgeliefert zu sein … wie mochte es Shanija damals bei den Quinternen ergangen sein …
Du warst doch auch schon in einer ähnlichen Situation
, meldete sich augenblicklich die hässliche kleine Stimme.
Erinnere dich
…
Nein, sie wollte sich nicht erinnern. Seiya zwang sich, ihre Haltung zu straffen und Aliandurs boshaft und zugleich gierig funkelnden Blick zu erwidern. »Ich sollte geschmeichelt sein.«
Er spießte mit einer Kralle ein Stück Fleisch auf und verschlang es mit heftig zuckender Zunge. Seine Halssegmente glühten purpurviolett auf. »Das ist wahr«, stimmte der Verkünder zu. »So viel Aufmerksamkeit schenke ich nicht einmal meinem Prior. Doch du hast sie dir verdient.« Seine Pupillen waren nur noch dünne Striche. Seine Stimme sank zu einem tiefen Grollen herab. »Weißt du, wie viele meiner Getreuen du ermordet hast?«
»Offensichtlich zu wenige … und ich habe dich verpasst.« So mutig fühlte sie sich gar nicht für diese Erwiderung, es war ihr schlicht egal. Nichts konnte sich mehr ändern, sie war verurteilt.
»Die Verluste habe ich ersetzen können, doch der Schlag, dass Shanija Ran dank dir die Passage schließen konnte, war schwer zu verkraften.« Aliandur kaute und schluckte geräuschvoll hinunter. »Viele Generationen lang hatte der Orden der Erlöser auf den Moment hingearbeitet, in dem unserer Welt mit der Passage die Gelegenheit gegeben wurde, zum Brennpunkt kosmischen Geschehens zu werden. Um uns aus unserer Isolation zu befreien und zugleich zu nie dagewesener Macht aufzuschwingen. Dafür allein ist Less, ist unser ganzes System geschaffen worden – um das Beste aus allen Völkern zu sammeln, zu einen und zu schärfen, und daraus wiederum die Besten zu selektieren, damit diese in Durs Namen und als seine Stellvertreter die Herrschaft über zwei Universen antreten. Und ich hätte herrschen müssen, an Durs Seite, als seine rechte Hand und sein Sprachrohr in unserer Welt! Ahnst du überhaupt, wie weitreichend deine und Shanija Rans Schandtaten waren, welchen unendlichen Schmerz ihr mir zugefügt habt? Ihr habt mir mehr genommen als nur meine Getreuen. Meinen Gott, und …«
»Das ist vergangen«, unterbrach Seiya. »Dein Kummer interessiert mich nicht, Aliandur. Und ebenso wenig dein billiger Rachedurst. Tu, was du nicht lassen kannst.«
»Du willst nicht betteln und flehen?«
»Dazu werde ich unter der Folter sicher noch Gelegenheit bekommen. Doch im Moment bewahre ich mir den letzten Rest Würde, den ich habe, solange ich kann.«
Ich kann flüchten, jederzeit. Das Weiße Zimmer öffnet mir das Portal
…
Aliandur lachte dröhnend. »Du glaubst, schon genug durchlitten zu haben, dass nichts mehr dich schrecken kann?« Er spießte die nächsten Fleischstücke auf und verzehrte sie schmatzend.
Erneut kämpfte Seiya mit der Übelkeit. Sie würde sich nicht mehr lange beherrschen können. Erstickt murmelte sie: »Ich bin Seiya, Königin der Mandiranei.« Das würde sie sich als Mantra vorsagen, solange es möglich war.
»Du kannst dich entspannen«, sagte Aliandur unerwartet, wischte sich den schuppigen Mund mit einem Tuch ab und stand auf. Langsam kam er um den Tisch herum auf Seiya zu und bewegte dabei anmutig die Flügel. »Ich wäre nicht der unangefochtene Herrscher meiner Enklave, wenn ich mich von meinen Gefühlen leiten ließe.«
Seiya blinzelte verwirrt, schwieg
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