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Aventars Loyalität prüfen und ihn möglicherweise auch an ELIUM ausliefern wollte.
Von den Vorgängen an Deck bekam Seiya nicht viel mit, sie wurde in einem fensterlosen kleinen Raum gefangengehalten, vor dem Psiwächter postiert waren. Immerhin waren ihre Hände nicht so fest verschnürt wie sonst, und trotz der Fußfesseln konnte sie sich einigermaßen bewegen – wobei ohnehin so gut wie kein Platz zur Verfügung stand. Als Schlafplatz hatte sie eine Matte erhalten, was sie nach ihrer bisherigen Gefangenschaft als puren Luxus ansah. Licht und Luft drangen nur durch Risse und Schlitze im Holz herein. Wenigstens wurde sie nicht mehr gemästet, sondern in Ruhe gelassen.
Dreimal am Tag erschien Aventar, damit Seiya ihren Bedürfnissen nachkommen konnte, was jedes Mal ein demütigender Vorgang war, schlimmer als damals unter Perkots Aufsicht. Das Essen – grauer Brei – rührte Seiya kaum an, sie nahm gerade so viel zu sich, um das Hungergefühl zu befriedigen. Allmählich kehrte das Gefühl für ihren Körper wieder zurück, und sie unternahm heimliche Übungen, soweit es die Fesseln zuließen, um beweglich und wenigstens einigermaßen geschmeidig zu bleiben. Außerdem gab es sonst nichts zu tun, und sie wollte nicht zu sehr ihren Gedanken nachhängen.
Aventars Nähe wurde ihr von Mal zu Mal unangenehmer. Nicht nur, dass er sie gern provozierte und zudringlicher wurde. Sie konnte spüren, dass es ihn umtrieb. Vielleicht war das aber auch die beste Gelegenheit, um einen neuerlichen Versuch zu unternehmen, ihn als Verbündeten zu gewinnen. Natürlich war er genauso wenig vertrauenswürdig wie vorher, aber der Umstand blieb, dass er käuflich war.
Am Abend, als die
Durs Faust
vor Anker gegangen und unten das Nachtlager aufgeschlagen worden war, entschloss Seiya sich zu einem Gespräch, während sie in ihrem Brei rührte.
»Wer bist du nun wirklich, Aventar Reschkion?«
»Warum interessiert dich das?«
»Ich würde dein Handeln gern verstehen.«
»Du gibst nicht so leicht auf.« Er grinste und zuckte die Achseln. »Vor Jahren, als ich noch sehr jung, tief enttäuscht und voller Hass war, kam ich zu den Erlösern. Ich wurde in ihre Reihen aufgenommen und war hauptsächlich im Land unterwegs und lernte viele Orte kennen.«
»Mordend und plündernd.«
»Plündernd, ja. Mordend … nein. Keine Frauen und Kinder. Der Rest war Kampf, wie das Leben nun mal so ist.«
»Bisher warst du recht erfolgreich damit, weil du immer noch am Leben bist«, bemerkte Seiya. »Ist dir deine Psimagie dabei dienlich?« In ihrem Beisein hatte er seine Kräfte nie eingesetzt, deswegen war sie neugierig.
Aventar zuckte zusammen, als habe sie ihm einen Stich versetzt. »Ich habe keine mehr«, antwortete er barsch. »Verloren durch eine Krankheit, so was kommt vor.«
»Ja, davon habe ich gehört. Es gibt Schlimmeres. Wie ging deine Geschichte weiter?«
»Vor zwei oder drei Jahren wurde ich in einer Stadt gefangen und abgeurteilt. Kurz bevor die Strafe vollstreckt werden konnte, kam eine Truppe Kriggets in die Stadt, um neue Rekruten anzuwerben, und ich konnte sie überzeugen, mich mitzunehmen. Das Leben in ELIUM war nicht schlecht, keineswegs unangenehmer als bei Aliandur, deshalb blieb ich dort. Dann kamen die Stummen, und wir erhielten neue Befehle. Den Rest kannst du dir denken.«
»Dann hast du überhaupt kein Ziel?«, fragte Seiya. »Du lässt dich immer nur treiben?«
Für einen kurzen Augenblick loderte wilder Hass in Aventars Augen auf, doch er hatte sich schnell wieder in der Gewalt. »Doch, ein Ziel habe ich«, knurrte er. »Rache. Aber bis dahin ist es ein weiter Weg.«
Rache, was für ein bequemes Ziel. Wie oft hatte Seiya das schon gehört, vor allem in ihrer Funktion als Dozierin. Vielleicht erwartete Aventar nun ihre Frage, an wem er sich rächen wollte, aber den Gefallen würde sie ihm nicht tun. »Und das ist alles? Du bist zu bedauern.« Sie zuckte zurück, als Aventars Hand um Haaresbreite an ihrem Kopf vorbeisauste.
»Vergiss nicht, in welcher Lage du dich befindest«, zischte er.
»Und du solltest bedenken, dass Aliandur mich unversehrt an ELIUM ausliefern will. Ich gehöre ihm.« Seiya hatte keine Mühe, Kälte in ihre Stimme zu legen. Auf seine Weise war Aventar genauso ein Gefangener wie sie.
»Was willst du dann von mir?«, fragte er wütend.
»Aventar, ich glaube dir nicht, dass dir das ziellose Herumtreiben und der ewige Befehlsempfang genügt, ohne jemals eigene Entscheidungen treffen zu können.
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