SunQuest - die Komplettausgabe 2800 Seiten zum Sonderpreis: Dies Cygni und Quinterna (German Edition)
seltsam vertraut. Es war eine Begrenzung, ganz im Gegensatz zu der bisherigen erschreckenden Weite.
Fredron stand am Rand des gewaltigen Kraters.
Burundun. Wo der Hang endete begann die Stadt. Teils war sie noch in die Schräge gegraben. Ein Meer aus Häusern, vielfältig in ihrer Architektur, vielfältig in den Stadien der Erhaltung. Neu und alt trafen einander in vom Zufall regierten Durcheinander. Zerfallende Ruinen, Neubauten benachbart. Schieferdächer neben solchen aus Holz. Und die Schäden? Ganze Häuserblöcke dem Erdboden gleichgemacht. Wieso das?
Hätte Hemja diesen Anblick erwartet?
Nein.
Der See. Fredron erblickte die Fortsetzung der Stadt auf dem Wasser. Fließend ineinander übergehend, wie Burundun den See umlaufend und doch ehrerbietig Abstand haltend zu der Insel in dessen Mitte. War dies Lakara, die schwimmende Stadt? Noch verwirrender war ihr Aufbau. Keine klaren Linien, lediglich ein Gewirr aus Flößen und Booten, schwankend in kaum vorhandener Dünung. Das Wasser des Sees in klarem Blau. War es das, was Rufus erwartet hätte? Ein Gewässer ohne mörderische Kreaturen? An dessen Ufern keine Gefahren drohten?
Ja. Auf jeden Fall!
Fredrons Blick glitt den Turm empor. Das Bauwerk im Zentrum der Insel war ohne Vergleich zur Mandiranei. Wuchtig brach der Turm aus der Erde, die Spitze beinahe einen halben Kilometer über allem thronend, selbst den Monolithen der Mandiri weit überragend. Das Zentralarchiv. Ihm haftete nichts Natürliches an. Es wirkte abweisend, unterkühlt. Als hätte sich ein größenwahnsinniger Architekt im Fieberwahn daran ausgetobt. Ein fensterloser Zylinder, gefertigt gänzlich aus beunruhigend rot schimmerndem Material, abgeschlossen mit einer Kuppel. Zu dessen Basis rundherum eine Ansammlung aus Mauern, Gebäuden, Bögen, hineinbombardiert ohne erkennbaren Sinn, umrahmt von einer Außenmauer ohne Zugang.
Hätte es Hemjas Vorstellungen entsprochen?
»Ich weiß nicht, ob es dir gefallen hätte …«, murmelte Fredron und dachte zum millionsten Mal an seine Frau, die für immer in der Wüste schlief.
War es das, was Hemja für Fredron erwartet hätte?
Irgendwie schon. Er lächelte.
»Auf seine Art ist es wundervoll, Hemja. Schade, dass du es nicht … nicht mehr erleben kannst.«
Nun stand er allein im Angesicht des Zentralarchivs. Musste erleben, wie seine Gedanken kreisten, sich dem einen Aspekt näherten, sich reduzierten auf eine einfache Frage. Zwei Worte: Was jetzt?
Wäre doch nur die Antwort greifbar. Hier und jetzt.
Ihn überkam ein Gefühl der Schwäche, aber er stand es mit Leichtigkeit durch. Für weitere Tränen fehlte ihm die Kraft. Er überlegte, was zu tun sei.
Vielleicht erst einmal ein Bad. Ja. Er stank fürchterlich, hatte die Kleidung seit der überstürzten Flucht nicht mehr gewechselt. Es wäre zumindest ein Anfang. Danach etwas Gutes für den Magen. Je mehr er darüber nachdachte, desto besser gefiel ihm diese Aussicht, verlieh ihm geradezu ein Gefühl der Beschwingtheit. Er lachte lauthals auf.
Wie schmal war die Grenze zwischen Selbstaufgabe und Lebensmut? Ein heißes Bad weit? Eine warme Mahlzeit entfernt?
Düstere Traurigkeit bezwang die Aussicht nach einer Ahnung von Zuversicht.
Hemja! Was wollte er hier? Wie sollte er weitermachen? Und warum?
Irgendwie musste er doch anfangen.
Aikel, Arls, Gus und Tschad standen am Rand des Kraterrings, der die Stätte ihrer Bestimmung, ihrer Heimat umsäumte. Endlich waren sie von der Bürde der Verantwortung für die Flüchtlinge erlöst worden. Tschad war über alle Maßen erleichtert. Die vergangenen Dianocten waren ihm vorgekommen wie ein fortgesetzter Alptraum.
Er wandte seine Aufmerksamkeit vom Zentralarchiv auf einen älteren Mann, der ein Stück abseits stand und seine Blicke über den Krater schweifen ließ. Der Daride fragte sich unwillkürlich, ob er zu den Flüchtlingen aus der Mandiranei gehörte. Er machte einen überaus nachdenklichen Eindruck. Was mochte wohl in seinem Kopf vorgehen?
Wusste er von den fortgesetzten Angriffen der Quinternen, von denen ihnen der Archivwächter erzählt hatte? Oder von Corundurs Absicht, das Zentralarchiv unter seine Kontrolle zu bekommen? Corundur, Anführer der Sekte ›Neue Zukunft‹, vormals Retter der Passage. Der Maskierte, der seine Gestalt stets verbarg. Corundur, der Verräter?
Spürte der Mann auch den ungewissen inneren Zwang, den Tschad immer deutlicher wahrnahm? Letzteres sicher nicht, denn diese Wahrnehmung blieb auf die Adepten
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