SunQuest - die Komplettausgabe 2800 Seiten zum Sonderpreis: Dies Cygni und Quinterna (German Edition)
gleiche.
»Nein«, widersprach sie sich erneut im Selbstgespräch. »Damals bin ich nicht allein gewesen.«
Eine gefühlte Unendlichkeit lang hatten die Quinternen sie auf einem ihrer Mutterschiffe gefoltert, mit medizinischen Apparaten, Werkzeugen, Scannern und Sonden malträtiert, um hinter das Geheimnis des menschlichen Körpers zu kommen. Auch vor ihrem Gehirn hatten sie mit ihren telepathischen Fühlern nicht halt gemacht.
Shanija durchlebte die Erinnerung so lebhaft, als wäre es erst gestern gewesen und nicht bereits über zehn Jahre her. Admiral Garner hatte sie auf diese
freiwillige
Mission geschickt, sie dazu gebracht, sich von den Quinternen gefangen nehmen zu lassen. Mittels der in ihren Körper gepflanzten Nano-Sonden sollte sie die Außerirdischen ausspähen und ihre Schwachstelle ermitteln, um den langen Krieg zu beenden.
Sie war darauf vorbereitet gewesen, hatte aufgrund der Einsätze ihres Spezialteams über die Jahre regelmäßiges Training gehabt, um Folter zu überstehen. Widerstehen war nicht möglich, aber es war wichtig, nicht daran zu zerbrechen.
Doch das, was sie in der Gewalt der Quinternen durchleiden musste, war weitaus grausamer und schlimmer gewesen, als sie es sich jemals hätte vorstellen können. Auf diese Art der Folter konnte man nicht genug vorbereitet werden.
Ohne Con Gifford hätte sie es nicht überstanden. Shanija hatte sich früher nie Gedanken gemacht, was sie mit dem Gunnery Sergeant verband. Er war der Einzige gewesen, den sie, der »Cold Angel«, an sich heran ließ. Sie hatte seine Nähe genossen und oft mit ihm geschlafen. Aber hatten sie eine Beziehung geführt, die den Namen verdiente? Shanija vermochte es nicht zu sagen.
Nach jeder Folter, nachdem die Quinternen sie mehr tot als lebendig wieder zurück in den Gefangenenpferch geworfen hatten, versorgte Con ihre Wunden und hielt sie in seinen Armen. Vor allem, als …
Shanija verkrampfte sich. Viel zu lange hatte sie die Erinnerung an ihre schlimmste Pein verdrängt, in den tiefsten Abgründen ihrer Seele vergraben, was die Quinternen ihr zuletzt angetan hatten.
Festgeschnallt auf dem Vivisektionsstuhl, unfähig zu irgendeiner Regung, zeigten sie Shanija etwas auf einem Holo. Das Innere ihres Körpers. Sie konnte alles sehen, ihr pochendes Herz, die pumpenden Lungen, sehr plastisch. Und da … in ihrem Bauch … da war noch etwas, umgeben von einer schützenden Hülle, am Ende einer Art Schnur, das sich bewegte. Mit zwei winzigen Fingerchen, und dunklen Bällen, die Augen werden sollten. Ein hässlicher Däumling, aus dem einmal ein Mensch werden sollte
.
Sie hatten es aus ihr herausgeschnitten wie ein Krebsgeschwür und vermutlich genau wie alle anderen Proben ihres Körpers für ihre widerwärtigen Experimente missbraucht!
Shanija drehte sich auf den Bauch und begann mit Liegestützen. Körper hochwerfen, Hände darunter zusammenklatschen, Körper auf den Boden, Hände auf dem Rücken zusammenklatschen. Wie früher bei den W ILD R AMS jeden Morgen, und auch heute noch nahezu regelmäßig.
Sie hatte von ihrer Schwangerschaft nicht gewusst, als sie in den Einsatz gegangen war; dass Con und sie im Begriff gewesen waren, ein Kind in die Welt zu setzen. In der damaligen Situation, kurz vor der Niederlage und den Dauerschlachten, hatte niemand Zeit gehabt, auf körperliche Veränderungen oder Signale zu achten. Sie mussten funktionieren, alles andere war Nebensache. Und Shanijas Körper
funktionierte
.
Weitere Liegestütze. Sie zählte sie nicht, bemerkte aber, dass ihr Herz zu hämmern begann. Wenn sie nur ebenso einfach die Gedanken aus ihrem Schädel hämmern könnte.
Die Quinternen hatten beide auf den Gewissen, nicht nur das Kind – ihre Tochter, dessen war sie immer sicher gewesen –, denn Con opferte sich, um Shanija die Flucht aus dem Mutterschiff zu ermöglichen. Sie hatte sich niemals erlaubt zu trauern, vor allem war auch dafür keine Zeit gewesen. Die Ärzte hatten sie wieder zusammengeflickt, und sofort war sie in den nächsten Einsatz gegangen. Der hier auf Less endete.
Dennoch … in einem einzigen unbedachten Moment in der Klinik, als sie in der Nacht wach lag, in die Stille lauschte und nicht aufpasste, brachen die Gedanken an Con und das Kind über sie herein. Nur ein kurzer Moment, bevor sie sich wieder in der Gewalt hatte und den Schmerz tief in sich zurückdrängte. Aber er genügte, um sich vorzustellen, wie sie ihre winzige Tochter im Arm hielt und ihr einen Namen gab.
Keuchend
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