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wieder ganz Kind. Doch das würde nicht so bleiben, und das tat Shanija leid. Ihr war die Kindheit gestohlen worden, und nun wohl auch ihrem Sohn.
»Pong«, sagte sie zu ihrem Schmuckdrachen, der auf der Tischplatte entlang spazierte und allen auf die Teller schaute. Sein hoch erhobener Schwanz ringelte sich um den ausgebrannten Kristall, mit dem Ping gekommen war. Ping schäkerte mit Seiyas Kindern und As’malas Tochter. Liri hatte die Schrecken der Gefangenschaft gut überstanden, typisch für ihr Alter blickte sie nach vorn und verdrängte das Vergangene weit nach hinten. Noch hatte sie nicht begriffen, dass sie ihren Vater nie mehr wiedersehen würde, und das war gut so.
»Ja, Chefin?« Die rubinroten Augen richteten sich auf sie.
»Du passt auf Darren auf.«
»Geht klar.« Pong richtete sich auf und salutierte stramm.
»Och, Mutter …« Darren verstummte, als Shanijas Blick ihn traf. Er wusste, dass sie darüber keine Diskussion zulassen würde.
Ping schwirrte nach oben. »Wollen wir nicht noch ein bisschen spielen, bevor wir schlafen gehen?«, schlug sie mit zwitschernder Stimme vor und erntete begeisterte Zustimmung von Seiyas Kindern und Liri. Jubelnd stürmten sie aus dem Saal, immer der kleinen Drachendame nach, und versuchten sie zu fangen.
Pong verdrehte die Augen. »Die ist echt eine Nervensäge.«
»Frauen eben.« Darren zuckte die Achseln. »Aber wir könnten ja mitgehen, nur um zu sehen, dass sie keinen Unsinn anstellen.«
»Gute Idee, das machen wir.«
Kurz darauf waren auch die beiden verschwunden.
Shanija erhob sich und nickte Mun, Earl und ihren Freundinnen zu. »Ihr entschuldigt mich ebenfalls, ich ziehe mich zurück. Ihr solltet euch gegenseitig noch erzählen, was wir bisher an Berichten versäumt haben.«
Die Anderen lächelten sie an. »Erhol dich gut, Shanija. Schön, dass du wieder bei uns bist«, sagte Mun stellvertretend für die Anwesenden.
An Schlaf war vorerst nicht zu denken. Ruhelos ging Shanija in der Kammer auf und ab, eine Stunde oder zwei, und versuchte ihre Gedanken zu sortieren. Sie war erschöpft, aber noch nicht bereit zu schlafen.
Immer wieder sah sie auf den Zeitmesser, eine Wasseruhr mit phosphoreszierender Flüssigkeit, die einen matten Schein verbreitete.
Pling, pling, pling
.
Sonst gab es hier keine Ablenkung, die Anhänger der Gilde lebten in Askese. Immerhin war das Bett groß genug – kein Wunder, die meisten Adepten hatten größere Körpermaße als Menschen, und sie schätzten die Bequemlichkeit einer Matratze, Decke und Kissen.
Shanija hörte es sofort, als die unverriegelte Tür geöffnet wurde, obwohl sich jemand sehr viel Mühe gab, lautlos zu sein. Ein Profi. Sie hätte ihn bereits auf acht … nein, neun verschiedene Weisen ausschalten können, ohne dass er begriffen hätte, wie ihm geschah. Trotzdem drehte sie sich nicht um, ihre Muskeln blieben entspannt, denn sie wusste bereits, wer es war. Seine Präsenz erfüllte den Raum, noch bevor er ihn ganz betreten hatte, und außerdem erkannte sie ihn am Geruch, der ihr nur zu vertraut war.
Die Tür schloss sich wieder, und diesmal wurde sie verriegelt.
Sie rührte sich nicht und schloss die Augen, als er seine Hände an ihre Schultern legte und sie an sich lehnte. Es tat so wohl. Könnte sie diesen Augenblick nur festhalten!
»Du bist gut«, murmelte Earl Hag ihr ins Ohr.
Ein Schauer überlief sie, als sie seinen warmen Atem am Hals spürte. »Du auch.«
Er übte Druck auf ihre Schultern aus, drehte Shanija zu sich um und küsste sie. Sie ließ es geschehen.
»Es ist Wahnsinn, was wir hier tun«, wisperte sie. »Morgen geht die Welt unter …«
»Eben«, unterbrach er sie leise. »Shanija, ich habe keine verdammte Ahnung, was morgen aus uns wird. Aber heute
leben
wir.
Jetzt
. Nach allem, was geschehen ist, bin ich glücklich, dass wir beide hier sind, unversehrt. Morgen mag es schon vorbei sein. Lass mich diese Erinnerung mitnehmen, ich bitte dich. Dann weiß ich, wofür ich kämpfe …«
Earl hatte sie aus der Hölle geholt. Shanija wollte nicht glauben, dass er es nur deswegen getan hatte, weil sie Darrens Mutter war. Sein Enkel, den er als Sohn adoptiert hatte, bevor die Invasion begann, war ihm sicher wichtig. Aber seine Anwesenheit schien zu bestätigen, dass ihn noch etwas anderes antrieb. Was bestand da nur zwischen ihnen? Sie kannte ihn doch kaum … eigentlich gar nicht. Noch nie hatte sie so empfunden, nicht einmal damals, als sie sich in Darren verliebt hatte.
»Forsche
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