Sunshine Ranch 04 - Myriams letzte Chance
sprang Myriam zur Seite und verbarg sich hinter dem Stamm einer großen Trauerweide. Merle bemerkte sie glücklicherweise nicht. Myriam blickte ihr nach, wie sie in der Dunkelheit zwischen den Schrebergärten verschwand.
Sollte Myriam die Gelegenheit nutzen und den Garten durchsuchen? Vielleicht würde sie Charlie finden und der Fall wäre gelöst. Sie überlegte blitzschnell. Nein, das war Quatsch. Mitten im Sommer schaffte es bestimmt niemand, ein Pferd in einer Kleingartenanlage zu verstecken, ohne dass es auffiel.
Also rannte sie Merle nach und holte sie gerade noch am Rand der Schrebergartensiedlung ein. Vielleicht ging sie ja jetzt zu Charlie, hoffte Myriam. Aber Merle führte sie nirgends mehr hin. Sie ging wieder nach Hause, und dasselbe tat Myriam danach auch.
Das Klingeln eines Handys bohrte sich in einen Traum, in dem Myriam auf Camilla über eine Blumenwiese galoppierte. Die Sonne schien, Bienen summten. In der Ferne war ein anderes Pferd zu sehen. Charlie, erkannte Myriam, als sie sich ihm näherte. Und der Reiter war der Kidnapper. Sie musste ihm nur ein Stückchen näher kommen, damit sie sein Gesicht erkennen konnte.
Dudeldidudideldudideldudidel. Dudeldidudideldudidel. Dudeldidudideldudidel.
Wenn sie die Augen fest zusammenpresste und einfach nicht reagierte, hörte das Geklingel vielleicht auf und sie konnte weiterschlafen. Sie musste doch wissen, wer auf dem anderen Pferd saß!
Dudeldidudideldudidel. Dudeldidudideldudidel.
Nein, es war sinnlos. Wer immer da anrief, ließ nicht locker.
Myriam tastete nach dem Handy, ohne die Augen zu öffnen. Wie spät mochte es sein? Ihrem Gefühl nach war sie gerade erst eingeschlafen.
„Hallo?“
„Hi. It’s me.“
„Was? Wer ist da?“
„ Me . April. Schläfst du etwa noch?“
April. Myriam rieb sich die Augen. Durch einen Spalt in den Gardinen drang helles Tageslicht ins Zimmer. „Wie viel Uhr ist es?“
„Gleich neun. Ich muss mit dir reden.“
Neun Uhr. Du liebe Zeit. April musste verrückt sein, sie in den Ferien so früh zu wecken. Und ausgerechnet heute. Myriam war erst um drei Uhr morgens ins Bett gekommen.
„Was gibt’s denn so Wichtiges?“, fragte Myriam verschlafen. „Hast du was Neues von den Entführern gehört?“
„Gestern Abend haben sie sich wieder gemeldet. Sie wollen das Geld am Donnerstagmorgen.“ Aprils Stimme klang heiser. „Kleine Scheine, in einer Plastiktüte. Den Ort der Übergabe teilen sie uns noch mit.“
„Echt?“ Mit einem Schlag war Myriam hellwach.
„Ich hab meinen Dad angerufen. Aber er stellt sich quer. Er will einfach nicht zahlen. Das ist so gemein.“ Jetzt begann April zu schluchzen. „Er besteht darauf, dass wir zur Polizei gehen. Aber wenn wir das tun, ist Charlie tot.“
„Ich finde, dein Dad hat Recht. Du musst wirklich die Polizei einschalten.“
„ No way! Never! Wenn Charlie etwas passiert, dann bring ich mich auch um.“
„Komm, April, sei vernünftig! Die Polizisten sind Profis, die wissen am besten, was zu tun ist.“
„Der Polizei ist Charlie scheißegal. Aber ich liebe ihn. Wenn es um dein Pferd ginge, würdest du auch kein Risiko eingehen, oder?“
Myriam suchte nach Worten.
„Aber ich wollte dir eigentlich was ganz anderes sagen“, fuhr April fort.
„Ach, echt? Was denn?“
„Ich … Können wir uns nicht treffen? Am Telefon kann ich das nicht erzählen.“
Das klang ja geheimnisvoll. „Soll ich auf die Ranch kommen?“, fragte Myriam.
„Gute Idee. Wir reiten aus. Ich muss nur Sue fragen, welches Pferd ich nehmen kann. Schaffst du es bis um zehn?“
„Klar.“ Myriams Blick fiel auf ihr zerwühltes Kopfkissen. Normalerweise stand sie in den Ferien nicht vor elf auf. Aber nun würde sie ohnehin nicht wieder einschlafen können.
„Bis gleich“, sagte sie.
April hatte Harlekin und Camilla bereits gesattelt, als Myriam zur Ranch kam. Sie schien ganz vergessen zu haben, dass sie Myriam etwas Dringendes mitteilen wollte. Während sie den Weg durch die Wiesen zum Bach einschlugen, erzählte sie voller Begeisterung von einem Spaziergang, den sie bereits am frühen Morgen mit Sue gemacht hatte. „Wir wollten eigentlich nur Becky und Frida mitnehmen. Aber Fritz ist total ausgerastet, als wir die beiden aus dem Paddock geführt haben. Er hat so lange geschrien, bis Stefan sich erbarmt hat und uns mit Fritz begleitet hat.“
„Fritz spinnt“, meinte Myriam.
Beckys Fohlen Frida war vor ein paar Monaten unter dramatischen Umständen zur Welt gekommen. Seitdem
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