Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Super Sad True Love Story

Super Sad True Love Story

Titel: Super Sad True Love Story Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Shteyngart
Vom Netzwerk:
hilft.»
    «Gracie», drang ich weiter in sie, «Noah hat mir vor einiger Zeit erzählt, dass Vishnu mit der ARR kollaboriert, mit den Überparteilichen.»
    Sie sagte nichts, aß ihr Kimbap. Ein Mann und eine Frau, die sich in einer wogenden Fremdsprache unterhielten, spazierten hinter einem schmuddeligen Berg von Bernhardiner her, dessen Zunge in der Hitze des Altweibersommers am Boden schleifte. Hinter einer Baumgruppe gruben einige Fünf-Jiao-Männer einen Graben. Einer hatte offensichtlich den Gehorsam verweigert, denn sein Anführer ging auf ihn zu, etwas Langes, Glänzendes in der Hand. Der Fünf-Jiao-Mann kniete sich hin und bedeckte sein langes, verfilztes blondes Haar mit den Händen. Ich versuchte, Grace mit meinem Melonensaftbecher die Sicht zu versperren, undbetete, dass es nicht zu einer Gewaltanwendung kommen würde. «Ich bin sicher, das stimmte nicht», fuhr ich fort und klaubte Grashalme von meiner Jeans, als wäre dies ein Gespräch wie jedes andere. «Ich weiß ja, dass Vishnu ein feiner Kerl ist.»
    «Über solche Sachen möchte ich nicht reden», sagte Grace. «Weißt du, ihr drei wart immer ziemlich eigenartige Freunde.
Die Jungs
. Wie in Romanen. Diese ganze Großmäuligkeit und Kameradschaft. Das konnte nicht funktionieren. Jeder von euch war ein ganz normaler Mensch, aber gemeinsam wart ihr wie eine Karikatur.»
    Ich seufzte und stützte den Kopf in die Hände.
    «Entschuldige», sagte Grace. «Ich weiß, du hast Noah sehr gemocht. So sollte man nicht von einem Toten sprechen. Und ich weiß auch gar nicht, was mit der ARR war, wer wofür verantwortlich ist. Ich weiß nur, dass es hier keine Zukunft für uns gibt. Und für dich auch nicht, wenn du mal darüber nachdenkst. Wieso kommst du nicht mit uns nach Kanada?»
    «Ich hab offenbar nicht so gute Verbindungen wie ihr», sagte ich zu grob.
    «Du hast einen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften», sagte sie. «Das könnte dich auf der Warteliste nach oben bringen. Du solltest versuchen, an die Grenze bei Quebec zu gelangen. Von da kannst du einen gepanzerten Fung-Wah-Bus nehmen. Wenn du es schaffst, legal die Grenze zu überqueren, kommst du in Kanada in eine besondere Kategorie. So was wie ‹Überland-Einwanderer›, glaube ich. Und drüben können wir dir dann einen Anwalt besorgen.»
    «Eunice werden sie niemals hineinlassen», sagte ich. «Ihre Ausbildung ist wertlos. Hauptfach Images, Nebenfach Selbstsicherheit.»
    «Lenny», sagte Grace. Ihr Gesicht war nah an meinem,ihr Sprechatem im Takt mit dem Atem des Windes und der Bäume. Ihre Hand lag an meiner Wange, und alle Sorgen meines Lebens wurden darin umfangen und gehalten. Ein dumpfer Schlag hallte jenseits der Bäume, auf Kopfhaut auftreffendes Metall, aber da war kein Wimmern, nur der ferne trugbildhafte Anblick eines Körpers, der lang hinschlug. «Manchmal», sagte sie, «mache ich mir Sorgen, dass du es nicht schaffst.»
     
    Ende Oktober. Ein paar Tage nach meinem Mittagspicknick mit Grace textete Eunice mich bei der Arbeit an und sagte, ich solle sofort nach Hause kommen. «Sie werfen uns alle raus», sagte sie. «Die Alten, alle. Dieses Arschloch.» Mir blieb keine Zeit herauszufinden, wer das Arschloch war. Ich sprang in eine Firmenlimousine und raste südwärts, wo ich den unrühmlichen Backsteinklotz meines Wohnhauses von plattärschigen jungen Männern in Khakihosen und Oxford-Hemden umstellt fand, dazu drei gepanzerte Truppentransporter von WapachungKrise, deren Besatzungen friedlich unter einer Ulme lagerten, die Gewehre vor den Füßen. Meine greisen Wohngenossen hatten das weitläufige parkähnliche Grundstück rings um die Gebäude mit einem Durcheinander von Habseligkeiten vollgeräumt, in der Mehrzahl marode Anrichten, durchgesessene schwarze Ledersofas und gerahmte Fotografien ihrer dicklichen Söhne und Enkel, die Regenbogenforellen angelten.
    Ich wandte mich an einen jungen Kerl in den üblichen Chinohosen, auf dessen Dienstausweis «StaatlingImmobilien Umsiedlung» stand. «Hey», sagte ich. «Ich arbeite für Posthumane Dienstleistungen. Was soll der Scheiß? Ich wohne hier. Joshie Goldmann ist mein Chef.»
    «Schadensreduzierung», sagte er und machte mit seinen dicken roten Lippen tatsächlich einen Schmollmund.
    «Wie bitte?»
    «Sie wohnen zu dicht am Fluss. Staatling wird die Gebäude morgen abreißen. Für den Fall, dass es zu Überflutungen kommt. Klimawandel. Jedenfalls stellt Posthumane Dienstleistungen seinen Angestellten Wohnraum weiter nördlich

Weitere Kostenlose Bücher