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Superdaddy: Roman (German Edition)

Superdaddy: Roman (German Edition)

Titel: Superdaddy: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sören Sieg
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Begründung, sie halte die gequetschte Stimme der Klassenlehrerin nicht aus. Isabel Adjani ging auf unsere Haustür zu, und in diesem Moment wusste ich: Es war nicht genug, sie zu sehen. Ich musste sie ansprechen.
    Und ich würde sie ansprechen.
    Ich bin ein Löwe. Der König der Wildnis. Vor mir zittert jedes Geschöpf. Mein Gebrüll reicht bis zu den fernen Bergen im Osten.
    Ich war mein eigener Hypnotherapeut. Die Mutproben aus dem Programm waren alle nur ausgedacht. Jetzt begann das wirkliche Leben. Philipp, der unerschrockene Held.
    Mein Mund wurde trocken. Ich beschleunigte meine Schritte, um sie noch vor der Haustür zu erwischen. Jetzt stand ich neben ihr, mein Puls ging auf hundertachtzig, sie bemerkte mich gar nicht, obwohl sie noch kleiner war als Ines, selbst auf ihren High Heels einen ganzen Kopf kleiner als ich. Sie hatte die Namensliste abgescannt und hob den Finger an den Klingelknopf. Ich konnte ihr Parfum riechen, Moschus, Limone. Meine Kehle schnürte sich zu. Was sollte ich sagen?
    »Entschuldigen Sie«, hörte ich meine Stimme, »können Sie mir sagen, wie spät es ist?«
    Sie sah mich irritiert an. Wahrscheinlich wurde sie alle zehn Meter auf der Straße nach der Uhrzeit gefragt. Aber ich schien besonders unheimlich zu wirken in meiner Jack-Wolfskin-Outdoorjacke, in der ich auch auf dem Gipfel des Nanga Parbat hätte übernachten können.
    »Excuse me, I don’t speak German«, sagte sie, noch während sie klingelte. Max fragte nicht nach, er betätigte den Summer, sie drückte die Tür auf und verschwand in meinem Treppenhaus.

4
    Ich würde sie nicht wiedersehen, dachte ich und verspürte einen Stich in der Magengegend. Ich starb vor Neid. Denn plötzlich wusste ich, dass sie kein Escort-Girl war, sondern Max’ Geliebte. Gut, dass ich die Kolumne schreiben musste.
    Ich saß im Coffee Champion und wärmte meine abgefrorenen Hände am Apple Cranberry Flavour Explosion Tea XXL . Also normal groß. Das Gute war, die Kolumne hatte kein bestimmtes Thema. Ich konnte über alles schreiben, was ich wollte.
    »Die Leute sollen laut lachen«, hatte der glatzköpfige Kulturredakteur gefordert, den Ines zu den 22 Mutproben mitgeschleppt hatte vor einem Jahr. »Da ist der typische Hamburger Morgenmuffel«, hatte er laut vor sich hin phantasiert, »er sitzt morgens um halb acht in der U3, liest Philipps Welt – und was passiert? Er kann gar nicht anders, als laut loszuprusten, versteht ihr?«
    Ich hatte freundlich genickt. Nichts einfacher als das.
    »Wie geil ist das denn!«, hatte Ines bestätigt. »Das ist doch die krasseste Werbung überhaupt!«
    »Für wen?«, hatte der Glatzkopf misstrauisch gefragt.
    »Für euch, natürlich!«, hatte Ines gejubelt. »Und für uns. Eine klassische Win-Win-Situation!«
    Sie liebte es, solche Wörter zu benutzen. Ich hatte meinen Cappuccino umgerührt und mich ans andere Ende der Welt gewünscht. Ich war psychologisch für solche Verkaufsgespräche nicht geschaffen. Nichts beschämte mich mehr als das ekstatische Schwärmen über ungelegte Eier.
    Ich konnte also über alles schreiben: über Angela Merkel, Dieter Bohlen oder Juli Zeh. Oder über meinen türkischen Gemüsehändler, der mich jedes Mal begrüßte, als ob ich ihm bereits drei Mal das Leben gerettet hätte, damals in Anatolien, als wir Kinder waren, in dem abgeschiedenen Bergdorf, in dem die Leute nicht mal wussten, wann sie geboren waren.
    »Hey, Kollege!«, schrie er jedes Mal, wenn er mich kommen sah. »KOLLEGE!«, wiederholte er dröhnend, packte mich und zerquetschte mich wie eine Knoblauchzehe. »Was machen Bambini, he?«
    Er sagte wirklich Bambini, dabei war er Türke, kein Italiener. Nein, darüber konnte ich nicht schreiben, beim besten Willen nicht, es gab kein nervigeres Klischee in der deutschen Komiklandschaft als den türkischen Gemüsehändler. Auch keine Politik, kein Westerwelle und kein Putin, ich sparte mir die Zeitungen und zückte direkt mein überteuertes Hemingway-Notizbuch. Wenn ich etwas hineinschrieb, glaubte ich immer, es wäre Stoff für drei komische Fernsehserien und fünf neue Woody-Allen-Filme auf einmal. Wenn ich es durchblätterte, verflüchtigte sich dieser Eindruck. Da stand:
    F bittet M in U-Bahn, Walkman leiser. Er rülpst .
    Das war’s. Sollte das eine Geschichte sein? Ich sah, wie ein ganzer U3-Waggon sich beim Zeitunglesen dröhnend-lachend auf dem Boden rollte. Okay, was noch? Ich konnte es kaum entziffern:
    Röttgen besucht AKW. Kriegt 3 Ohren, lange Nase,

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