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Superdaddy: Roman (German Edition)

Superdaddy: Roman (German Edition)

Titel: Superdaddy: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sören Sieg
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und Tod schwebte.
    »Aber«, sie schien wirklich betroffen, »es … es geht ihm doch gut, oder?«
    »Ich fürchte nein, Ines«, sagte ich wie ein schicksalsgegerbter Henry Fonda und winkte kurz zum Abschied.
    »Wir telefonieren«, rief sie mir verdattert nach.

6
    Lasse lag in einem kahlen Raum neben dem Sekretariat auf einer blauen Liege. Er sah mich leidend an und hustete sehr lange, als hätte er extra mit dem Anfall gewartet, bis ich den Raum betrat. Er lächelte nicht mal zur Begrüßung.
    »Mama hat das Auto«, sagte ich. »Kann ich dich hinten aufs Fahrrad packen?«
    Er sah mich nur an mit seinen großen, braunen Augen und den langen, dunklen Wimpern. Ich musste wieder an seine Geburt denken, an die zitternde Unterlippe und die Wärmelampe und die weiße Decke. Ich strich ihm übers Haar.
    »War ’n Scherz, Lasse, ich bestell gleich ein Taxi.«
    Ich fragte mich, ob ich eigentlich klug war. Irgendwie schon. Immerhin war ich als einziges von vier Kindern aus dem Hilfsarbeitermilieu rausgekommen. Aber im Moment kam ich mir unsagbar dumm vor. Ich bestellte das Taxi und trug Lasse hinein, wir fuhren, und ich befahl mir nachzudenken. Aber es kam kein einziger Gedanke zustande. Es war Viertel vor zwölf. Bis eins war Max in der Wohnung. Über eine Stunde. Ich konnte nicht mit dem Fieber-Lasse so lange in der Kälte warten. Und wenn ich klingelte, würden sie nicht aufmachen. Die Nachbarn arbeiteten. Die Kinder waren in der Schule. Niemand war im Haus außer den beiden High-Class-Sex-Täubchen. Ich bezahlte den Taxifahrer und ließ mir eine Quittung geben. Und war froh, dass er so lange brauchte, um sie auszustellen. Eine Minute Gnadenfrist.
    »Machst du mir gleich eine heiße Milch mit Honig?«, piepste Lasse. Im Fieber war seine Stimme noch leiser und dünner geworden.
    »Natürlich, mein Spatzl«, sagte ich und legte die Hand an seine Stirn. Sie glühte. Bekam er eine Lungenentzündung? Na großartig. Wer passte dann am Wochenende auf ihn auf? Ich spielte in Koblenz. Charlottes Eltern nahmen die Kleinen nicht, wenn sie krank waren. Sie lebten in ständiger Angst, sich anzustecken. Sobald sie krank wurden, was ja mit Ende sechzig mal vorkommen konnte, riefen sie an und lamentierten, unsere Kinder hätten sie infiziert.
    Ich trug ihn und seinen Ranzen zur Haustür. Der Gang zum Schafott. Ich hatte immer noch keine Idee. Wir waren da. Es war so weit. Ich kramte in meiner Tasche. Kramte in der anderen Tasche.
    »Papa, was ist?«, fragte er ganz schwach.
    Ich durchsuchte meine Jacke. Genial. »Mein Schlüssel«, presste ich hervor. »Wo ist denn der verdammte …«
    Hatte ich ein Glück, dass Lasse keinen eigenen Schlüssel hatte. Dann wäre ich jetzt erledigt gewesen.
    »Er ist weg«, sagte ich. »Moment …«
    Dann durchsuchte ich noch mal jede Tasche. Ich hatte einfach meinen Schlüssel verloren! Das konnte schließlich jedem passieren. Ich würde mit Lasse in den Coffee Champion gehen und darauf warten, dass Linus pünktlich um halb zwei nach Hause kam. Wieso war ich nicht gleich darauf gekommen? Ich war gerettet. Wie sagte Nina Ruge immer? Alles wird gut.
    Doch dann passierte Folgendes. Es konnte eigentlich gar nicht passieren. Aber es passierte, weil mein Leben eine Art Woody-Allen-Film war, mit mir in der Hauptrolle als Unglücksrabe. Ich sah unseren Peugeot in eine Parklücke direkt vor unserer Tür einparken. Unseren dunkelgrünen, zerschrammten, zehn Jahre alten Peugeot. Das konnte nicht sein. Diese Parklücke war in den acht Jahren, die wir hier wohnten, noch nie frei gewesen. Und Charlotte musste ein Seminar halten. Männer- und Frauenbilder in der Moderne. Sie war schon zu spät gewesen. Sie konnte nicht in diesem Wagen sitzen. Und jetzt aussteigen. Es konnte nicht wahr sein.
    »Hey, was macht ihr denn hier?«, rief sie fröhlich schon aus zehn Metern Entfernung. Sie wartete solche Entfernungen nie ab. Sie überbrückte sie durch Lautstärke. »Die Volldeppen an der Uni STREIKEN! Als ob jemand, der nicht arbeitet, streiken könnte. Ich lach mich tot!« Sie hatte gerade mit mir geschlafen, sie war bestens gelaunt.
    »Ich bin krank«, wimmerte Lasse, der immer noch wie ein Klammeraffe an mir hing und mein Rückgrat ruinierte. Sieben war so eine Grenze. Ich konnte ihn noch tragen. Aber eigentlich nur sehr kurz. Und mit massiven Spätschäden.
    »Was steht ihr denn hier rum?«
    »Papa sucht seinen Schlüssel.«
    Ich lächelte schief. Ein todsicheres Rezept. Außer heute. Heute reichte es nicht, weder bei

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