Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Superdaddy: Roman (German Edition)

Superdaddy: Roman (German Edition)

Titel: Superdaddy: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sören Sieg
Vom Netzwerk:
Ich sah sie fragend an. Ich hatte das dumme Gefühl, dass sie kurz vorm Heulen war. Und ich verstand einfach überhaupt nicht, wieso sie mir nicht gesagt hatte, dass dies der wichtigste Auftritt meiner Karriere gewesen war. Oder gewesen wäre. Dann hätte ich in der Pause nicht aufs Handy geguckt.
    »Ich habe es dir nicht verraten, weil ich dich nicht verunsichern wollte.« Sie rieb sich mit der Hand über die Stirn. Sie hatte sonst schon Hautprobleme, aber im Moment schien es besonders schlimm zu sein.
    »Und wieso warst du nicht da?«, fragte ich.
    In solchen Fällen war sie immer persönlich da. Um schon vorher und in der Pause und erst recht danach jeden einzelnen Kulturfürsten persönlich zu hofieren und meinungsbildend zu umgarnen. Sie war nicht da gewesen, ich wusste es. Selbst wenn sie in der letzten Reihe gesessen hätte, ihr quiekendes Lachen hätte ich herausgehört. Sie lachte bei ihren Künstlern immer gezielt hemmungslos, um den Saal in Stimmung zu bringen.
    »Ich war da. In Hardys Büro. Ich war zu nervös, um dabei zu sein.«
    Auch das noch. Der Himmel stürzte ein. Es war alles ganz anders gewesen. Deswegen war Hardy so ungeduldig gewesen. Und sie hatte mich von dort aus angerufen. Einmal, zweimal, achtzehnmal. Ich hatte es vermasselt. In etwa drei Minuten würde ich mir eine neue Agentin suchen müssen.
    Sie betrachtete ihre rosalackierten Fingernägel. »Philipp, ich hab vieles versucht für dich. Die Wettbewerbe …«
    Es war richtig, sie hatte mich auf alle Wettbewerbe der Republik geschickt. Es gab in Deutschland mehr Kleinkunstpreise als Meerschweinchen. Aber das Kirschbaum-Vahrenholzsche Gesetz besagte, dass nach jedem genialen Auftritt von mir irgendein mäßig begabter Klavierkabarettist kam, der den Preis dann kriegte. Alles, was ich gewonnen hatte, waren die Tuttlinger Krähe und die Lüdenscheider Lüsterklemme. Preise, die man lieber verschwieg, wenn man den Redakteur von Deutschlandradio Kultur dazu bringen wollte, in die eigene Vorstellung zu kommen.
    »… die Mixed-Shows, die TV-Auftritte …«
    Warum zählte sie das alles auf? Sie musste doch nichts mehr begründen. Sie hatte an mich geglaubt und sehr hart gearbeitet, sie hatte mehr an mich geglaubt als ich selbst. Aber sie hatte einfach nicht das Glückslos gezogen. Sondern eine Niete. Mit der sie nie aus diesem hässlich-grauen Hammerbrook herauskommen würde. Warum fiel es ihr so schwer, dieser Niete Adieu zu sagen? Ich hätte es ihr sofort verziehen.
    »… die Kolumne, die Promo-DVD…«
    In diesem Moment klingelte mein Handy. Eine Hamburger Behördennummer. Das musste eine Schule sein. Luna hatte den Chemie-Raum in die Luft gesprengt. Oder den Geschichtslehrer als Faschisten bezeichnet. Oder im Unterricht einen Joint geraucht. Wir kriegten dann immer Briefe: Bitte wirken Sie erzieherisch auf Ihre Tochter ein. Sehr witzig. Jetzt war es schon so weit, dass sie anriefen.
    »Entschuldigung«, sagte ich kleinlaut und drückte auf die grüne Taste.
    »Ja, hier Grundschule Wieckstraße, spreche ich mit dem Vater von Lasse Kirschbaum?«
    »Am Apparat.«
    Ines guckte mich fassungslos an. Sie hatte sich irgendwelche pastoralen Abschiedsformeln zurechtgelegt, und ich fing unkontrolliert an zu telefonieren.
    »Können Sie bitte umgehend Ihren Sohn abholen? Er hat hohes Fieber.«
    »Selbstverständlich, bin schon auf dem Weg.«
    Ines erstarrte.
    »Wann sind Sie da?«
    »Ich … ich bin mit dem Fahrrad unterwegs. Und in Hammerbrook. Also in, äh … zwanzig Minuten?«
    Stille in der Leitung.
    »Geht es auch schneller? Lasse weint. Er ruft nach Ihnen.«
    Der Subtext war klar: Wie konnten Sie den Jungen überhaupt in die Schule schicken? Ja, wie hatte ich das tun können? Aus demselben Grund, weswegen es jetzt keinen Ort gab, an den ich ihn hätte bringen können.
    »Ja, ich … ich fahre so schnell ich kann. Geben Sie mir zehn Minuten.« Ich legte auf.
    »Was ist los?«, fragte Ines und schluckte. Sie war in Sorge um meine Kündigung. Mein Leben war eine Soap. Da konnte ich mich auch entsprechend verhalten.
    »Lasse ist vom Auto angefahren worden«, erwiderte ich mit Grabesstimme.
    Sie wurde bleich. »O Gott, wie kann das … das … dein Lasse?«
    Ich zuckte ernst mit den Schultern, stand auf und raffte eilig meine Sachen zusammen.
    »Ich«, stammelte sie, »würde dich ja fahren, aber … gleich kommt ein Eventmanager … aus Uelzen …«
    Immerhin: so konnte sie mir nicht kündigen. Nicht, wo mein Junge gerade zwischen Leben

Weitere Kostenlose Bücher