Superdaddy: Roman (German Edition)
Hobbitfüße. Rolle in Avatar 3. Merkel: Wo ist Norbert?
Nicht schlecht. Aber das Atom-Thema war auch längst durch.
Oralsex mit Kita-Susi. Neuer Bionade-Geschmack.
Hä? Hatte ich das geschrieben? Gut, es gab da diese wasserstoffblonde Erzieherin in Lasses Hort, die rumlief wie Kim Basinger in neuneinhalb Wochen. Und es war schon merkwürdig, dass sich in der sexfreien Welt der Kindertagesstätten und Grundschulen so viele Frauen tummelten, die auch als Tabledancegirl hätten arbeiten können. Aber meine Kolumne sollte schließlich familienkompatibel sein. »Für alle Altersgruppen!«, predigte der Redakteur immer am Telefon, so laut, dass mir das Ohr abfiel.
Mein Handy klingelte. Ines. Ich ließ es dreimal läuten, dann hob ich ab und sagte leise »Hallo«. Man sollte in der Öffentlichkeit generell nicht laut telefonieren, nicht im Bus, nicht in der Bahn und erst recht nicht im Café. Ich hatte darüber schon mehrere Kolumnen geschrieben. Glänzende, scharfzüngige Pamphlete.
»Sag mal, willst du mich verarschen?«, fauchte Ines. »Wo bleibst du?«
»Wie, äh …«, stammelte ich. »Wir sehen uns doch am Donnerstag.«
»Wir sehen uns jetzt !«, schnaubte Ines. »Punkt zehn wolltest du hier sein. Und wenn du nicht in fünfzehn Minuten da bist, kündige ich dir fristlos. Aus wichtigem Grund.«
Das war eine juristische Formulierung, und die beherrschte Ines. Denn das war schließlich ihr Job: Verträge zu schreiben. Unseren Vertrag hatte sie auch geschrieben, vor fünf Jahren, ich hatte ihn nicht näher angeschaut. Vielleicht hätte ich ihn jetzt endlich mal lesen sollen, wo es brenzlig wurde.
»Ich komme!«, versprach ich und lachte, um noch etwas gute Stimmung zu machen.
Sie legte auf. Ihr Büro war in Hammerbrook, ein trister Stadtteil am Hafen, wo kein Hamburger freiwillig aufkreuzte. Mit entsprechend billigen Gewerberäumen. Nicht gerade um die Ecke von Eimsbüttel, dem intellektuellen Altbauviertel, wo wir wohnten. Charlotte hatte unseren verbeulten Peugeot, und ich hatte weder Mütze noch Handschuhe dabei. Ich hätte ein Taxi nehmen sollen, nehmen müssen, aber ich konnte nicht. Charlotte hatte recht, ich war krankhaft geizig. Mein Vater hatte hauptberuflich Unkraut gejätet. Und die Hälfte seines Einkommens beim Pferderennen verwettet. Wir hatten nie Geld gehabt. Ich hetzte mit dem Fahrrad die Osterstraße und Bundesstraße hinunter, die mich auf einer geraden Linie in die City führten, in Ines’ Büro. Ich war achtundreißig Jahre alt und musste rasen wie ein Fahrradkurier, um meinen Vertrag nicht zu verlieren. In drei Tagen würde ich erkältet sein. Und Max vögelte gerade eine Traumfrau aus Los Angeles. In meinem Wohnzimmer. Ich musste mein Leben ändern.
5
Ich hatte keine Rosen dabei. Mir blieb nur, mein unwiderstehliches schiefes Lächeln aufzusetzen. Aber Ines bot mir nicht mal einen Tee an.
»Weißt du eigentlich, wer das war, diese achtzig Zuschauer in der Villa?« Sie knibbelte an ihren blassrosa lackierten Fingernägeln und war so blass wie eine Twilight-Darstellerin. So kannte ich sie gar nicht.
»Ich dachte, es wären Leute, die das Plakat gesehen oder meine Kolumne gelesen haben. Aber so, wie du fragst …«
»Ich sage es dir.« Sie holte einen Zettel raus. Dabei wusste sie es garantiert aus dem Kopf. Sie kannte jeden kulturellen Funktionsträger in Deutschland mit Vornamen, Sternzeichen und Handynummer. »Lotz und Mannheimer vom NDR-Fernsehen. Wirsing von NDR-Kultur. Meißner vom Deutschlandradio. Döbel vom Spiegel .«
»Wolfgang Döbel?«, frage ich ungläubig. Von ihm hatte ich schon gefühlte tausend Artikel auf Spiegel-Online gelesen. Ines las einfach weiter. Mir wurde schlecht. Die Liste nahm kein Ende. Und die hatten so gelacht in der ersten Hälfte? Medienleute lachten nie, es war unter ihrer Würde. Sie beobachteten, wie andere lachten. Und schrieben nachher am Ende ihres Verrisses: Das Publikum johlte unverdrossen .
»Sag mal«, unterbrach ich sie, »ich kann mir schon denken, dass …«
»Nein, ich lese zu Ende. Thomas Frettchen von NDR Info. Sibylle vom Schmidt-Theater. Die Gala-Agenturen Events4u, Brilliant Jubilees, Döner4one und Something Very Special … «
Ihre Stimme war brüchig. All diese Leute zusammenzukriegen war vermutlich schwieriger gewesen, als einen Friedensvertrag zwischen Israelis und Palästinensern auszuhandeln. Und ich hatte nicht mal drei Plastiknelken dabei. Als sie fertig war, legte sie die Hände in den Schoß, und wir schwiegen.
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