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Superdaddy: Roman (German Edition)

Superdaddy: Roman (German Edition)

Titel: Superdaddy: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sören Sieg
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Ines noch bei Charlotte. Die jetzt breit grinste.
    »Der zerstreute Papa«, sagte sie zu Lasse und kramte ihren Schlüssel raus. Jetzt blieben mir wirklich nur noch wenige Sekunden. Ich hätte in Ohnmacht fallen können. Ich hätte IN DECKUNG! schreien können, mich auf den Boden schmeißen und akustisch ein Erdbeben simulieren. Oder eine Bombenexplosion. Ich hätte einen epileptischen Anfall spielen können. Aber ich war kein Schauspieler. Ich stellte niemanden dar auf der Bühne. Ich erzählte nur Geschichten. Ich musste jetzt eine Geschichte erzählen.
    »Charlotte, wir sollten gleich mit ihm ins Krankenhaus. Fühl mal«, ich legte die Hand an seine Stirn. »Ich glaub, er hat ’ne akute Lungenentzündung.«
    Sie sah mich misstrauisch an, legte auch die Hand auf seine Stirn.
    »O Gott«, sagte sie. »Du hast recht!«
    Gerettet. Zum zweiten Mal. Ich war der Meister. Ich hüpfte innerlich drei Meter hoch.
    »Weißt du was«, sagte sie, »ich geh nur eben schnell oben auf Klo. Dann ab in die Uniklinik.«
    »Machst du Witze?«, empörte ich mich. »Du kannst doch auch im Krankenhaus aufs Klo gehen!«
    »Sorry, Philipp«, sie küsste mich kurz auf den Mund, »ich MUSS! Geht schon mal ins Auto.« Sie hielt mir den Schlüssel hin.
    »Bitte! Ich bin so nervös. Können wir nicht sofort losfahren?«
    »Sofort«, flüsterte sie, strahlte und schloss die Tür auf. Wollte die Tür aufschließen. Ich legte meine Hand auf die ihre.
    »Frrrau Kirrrschbaum, ich befähle Ihnen mitzukommen. Pinköln ist seit heute Morrgen in Deutschland strrräng värrrboten!«
    Lasse quiekte vor Lachen. Er mochte meine Hitlerparodie. Charlotte normalerweise auch.
    »Jetzt lass mich«, sagte sie verärgert und schloss auf.
    »Charlotte!«, sagte ich, plötzlich auf mich selbst zurückgeworfen.
    »Was?« Sie drehte sich noch mal um.
    »Du … du kannst da jetzt nicht hoch.«
    Sie lachte quietschend auf. »Philipp! Hattest du da grade eine Orgie mit zehn ukrainischen …« Sie blickte auf Lasse, »oder weißrussischen … oder was?«
    Ich seufzte und schloss die Augen. »Lotte, es wäre einfach besser, wenn du da nicht hochgehst.«
    »Papa, was ist?«, fragte Lasse.
    »Das werd ich gleich sehen«, sagte sie düster und hastete die Treppen hoch.
    Sollte ich darüber jetzt meine Kolumne schreiben?

7
    »Haben Sie noch eine Frage, bevor wir anfangen?«
    Es gab doch einen Gott. Und er war auf Charlottes Seite. Und deswegen war heute Morgen die Batterie unseres Peugeots leer gewesen, und wir hatten mit dem Fahrrad hierher fahren müssen, fünfzehn Minuten durch Starkregen und Hagel. Und jetzt saßen wir hier, zu spät, dampfend und derangiert, und so war auch Charlottes Laune. Als wäre sie gerade zur wissenschaftlichen Hilfskraft von Mary Longoria degradiert worden. Und die Sitzung hatte noch nicht einmal begonnen.
    »Ja.« Charlotte räusperte sich. »Darf ich fragen, welche Qualifikation Sie haben?«
    Eigentlich eine berechtigte Frage. Aber Charlottes Tonfall ließ keinen Zweifel, was sie eigentlich sagen wollte:
    1. Ich übernehme hier das Kommando.
    2. Ich habe keine Lust.
    3. Wie albern ist das hier bitte?
    Und 4.: Ja, nach fünf Jahren Betteln habe ich Philipp zugestanden, mit hierherzukommen. Aber das muss in einem Anfall von Wahnsinn gewesen sein. Therapie! Eine Woche vor der Anhörung der Berufungskommission.
    Die Entdeckung von Max und Lucy auf unserer Schlafcouch hatte es möglich gemacht. Das Böse gebar das Gute. Fragte sich nur, ob das hier das Gute war: eine Therapeutin, die kerzengerade, wie an einem Stock festgeschraubt in einem beigefarbenen Sessel saß, den sie Anfang der 70er Jahre bei Möbel Kraft in Bad Segeberg gekauft haben musste.
    »Aber selbstverständlich.«
    Ein unmotiviertes Dauerlächeln saß in ihrem zerknitterten Gesicht, das hochtoupierte, schwarze Locken umrahmten. Das Schwarz musste gefärbt sein, die Locken gewickelt, und die Frisur war vermutlich zur selben Zeit modern gewesen wie der Sessel. Ihre von tiefen Falten durchfurchte hohe Stirn, ihre niedrige, verknorpelte Nase und die mit dunklem Lippenstift nachgezogenen schmalen Lippen gaben ihr das Aussehen einer altgermanischen Wetterhexe. Aber diese Hexe trug eine geblümte Bluse und einen halblangen Alte-Damen-Rock, der zum Wohnviertel in rotem Backstein passte und zur niedrigen Decke des Zimmers. Und zu dem merkwürdigen Geruch, der in der Luft hing. War das Raumspray?
    »Es ist nur selten, dass Klienten sich dafür interessieren.«
    Ihre Stimme klang heiser,

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