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Superdaddy: Roman (German Edition)

Superdaddy: Roman (German Edition)

Titel: Superdaddy: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sören Sieg
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mich, ob Dirk mich nicht entsetzlich verarscht hatte.
    »In gewissem Sinne ja. Sie und ich werden danach entscheiden, ob wir zusammen arbeiten wollen oder nicht.«
    Arbeiten . Charlotte hasste solche Ausdrücke. Arbeiten, würde sie mir nachher erklären, tun polnische Bergbaukumpel in ihren staubigen Stollen drei Kilometer unter der Erde. Und nicht wehleidige Mittelschichtpaare, die eine fremde Person dafür bezahlten, dass sie sich ihre privatesten Probleme anhörte.
    »Also ist die Stunde kostenlos?«, fragte Charlotte, während die Regentropfen immer noch von ihren durchnässten, dichten Haaren auf den Teppich tropften. Sie fragte das nicht aus Geiz, sondern aus Selbstachtung. Oder aus Streitsucht? Leider kam alles auf dasselbe hinaus.
    »Nein, Sie zahlen den vollen Preis. Einhundertfünfzig Euro für neunzig Minuten.«
    »Aha«, sagte Charlotte im Ton des Rechtsanwalts, der den Kronzeugen der Anklage soeben einer faustdicken Lüge überführt hat. Das ging ja gut los.
    »Dann können wir beginnen«, rasselte die Wetterhexe, auf der meine letzte Beziehungshoffnung ruhte. »Sie haben mir zwei ganz unterschiedliche Mails geschrieben.«
    Unsere Hausaufgaben. Ich wurde nervös. Jeder hatte die Frage beantworten sollen: Was möchten Sie mit dieser Therapie erreichen? Frau Katzenhuber hielt die ausgedruckten Blätter in der Hand, auf denen die Wahrheit über unsere Ehe stand. Und darüber, was sie uns noch wert war. Ich wusste nicht, was Charlotte geschrieben hatte, und sie wusste es nicht von mir.
    »Sie werden sich Ihre Antworten jetzt vorlesen. Wer fängt an?«
    Charlotte sah mich an. Erst Hausaufgaben, dann Tafelarbeit, sagte ihr Blick mit leisem Spott.
    »Ich«, stammelte ich.
    Ich nahm den Zettel so zittrig, dass er mir beinahe aus der Hand fiel. Ich spürte das große runde Ding im Hals, den Kloß, der sich eher anfühlte wie ein Fußball. Die Angst, dass Charlotte nicht mal die ersten hundert Meter mitlaufen würde in diesem Marathon. Dass die nächtelange Recherche, die hundertfünfzig Euro, der Vormittag und alle Hoffnungen vergeudet waren. Und dass die Höchststrafe verhängt würde: dass alles so bliebe, wie es war. Ich würde einfach losgehen. Und hoffen, dass Charlotte mitkäme.
    » Ich möchte ein anderes Leben«, begann ich zu lesen, » und eine andere Beziehung. Ich möchte, dass wir eine Familie werden.«
    Dünn und hoch klang meine Stimme, ganz anders als meine Bühnenstimme. Oder meine Liebhaberstimme. Oder meine Papastimme. Wer sprach da eigentlich?
    »Ich möchte, dass du unser Nest nicht nur benutzt, sondern auch wärmst. Dass dein Weg nicht immer nur aus unserer Familie herausführt oder auf einer Autobahn an unserer Familie vorbei …«
    Es war Schwerstarbeit. Normalerweise hätte Charlotte mich bereits nach dem ersten Satz unterbrochen und widerlegt. Aber dass sie jetzt zuhören musste, machte es nicht einfacher.
    »… auf dem Speed-Highway deiner internationalen Soziologinnenkarriere, gegen die wir sterbenslangweilige Schnecken sind. Wir und die verbrannten Finger von Lasse und die Rechtschreibprobleme von Linus und der Liebeskummer von Luna.«
    Ich blickte auf und sah Charlottes Augen, die trüb waren und mich nicht ansahen. Drang etwas von meinen Gefühlen gerade in ihr einbetoniertes Herz? Durch einen haarfeinen Riss?
    »Ich möchte wissen, ob du fremdgehst. Ich möchte, dass du es sein lässt. Ich möchte, dass du morgens mit aufstehst und dir meine Auftrittsorte merkst. Ich möchte, dass du aufhörst zu rennen, wenn du merkst, dass wir uns bereits verlaufen haben.«
    Auch in Frau Katzenhubers Gesicht las ich nichts. Es wirkte seltsam zweidimensional, wie eine Kohlezeichnung. Sie sah mich an, ja. Aber hörte sie mir auch zu?
    »Ich möchte, dass du begreifst, dass ich kein lustiges Insekt bin, weil meine Mutter Putzfrau war. Ich möchte, dass du mich nicht allein lässt, nicht zurücklässt, nicht auflaufen lässt.«
    War das jetzt geschwätzig, fragte ich mich, war es ansprüchlich oder schwachsinnig? Wieso war es so still im Raum? Wieso hatte ich ihr nicht längst so einen Brief geschrieben und vorgelesen? Wieso mussten wir dafür hierher fahren, zu Dietlinde Katzenhuber, für einhundertfünfzig Euro?
    »Ich möchte, dass du dir Geburtstagsgeschenke für die Kinder einfallen lässt. Ich möchte, dass du mich überraschst, indem du mir zuhörst.«
    Ich räusperte mich. Meine Kehle war trocken wie die eines Marathonläufers in der Wüste Gobi.
    »Ich möchte, dass du anerkennst, dass

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