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Superdaddy: Roman (German Edition)

Superdaddy: Roman (German Edition)

Titel: Superdaddy: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sören Sieg
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strombetriebenen Kleinstwagen aus indonesischem Fairtrade, und Luna hatte natürlich gewollt, dass ich den verbeulten Peugeot weiter fahre und die 56   354 Euro an Oxfam spende. Und Lasse hatte mich nur angeguckt, als ob ich mir die Brusthaare orange gefärbt hätte. Egal: Ich hatte es getan. Ich hatte ihn gekauft. Aber wo hatte ich ihn geparkt?
    Eimsbüttel ist das dichtbesiedeltste Gebiet Europas. Ein Parkplatz für meinen Monstertruck war hier etwa so leicht zu finden wie ein Charismatiker in der FDP. Walserallee? Grassweg? Durch das Trösten von Linus war ich ohnehin zu spät, und den Kalender mit den privaten Terminen hatte ich auch oben vergessen. Aber wo war der Wagen? Eigentlich konnte ein fünf Meter langer Jeep ja nicht einfach verschwinden. Vielleicht hatte Lunas autonome Gruppe ihn angezündet, oder die Polizei hatte ihn abgeschleppt, weil ich eine Gemüseladeneinfahrt übersehen hatte. Das iPhone klingelte. Ich ging nicht ran. Ich würde mir in Zukunft die Parkadresse auf einen Zettel schreiben. Aber wo würde ich den Zettel dann verstauen? Und wie sollte ich ihn am nächsten Tag entziffern? Meine Handschrift war inzwischen so leserlich wie die Rezepte eines Allgemeinmediziners kurz vor der Rente.
    Böllkoppel. Endlich. Woanders waren so große Parkplätze auch gar nicht zu finden. Ich rangierte aus der Lücke, schwer genug für mich – hörte ich da ein Schrammen von Metall? Egal, ich beschleunigte von null auf neunzig, das Wohngebiet ignorierte ich, genau für dieses Gefühl hatte ich ja das ganze Geld ausgegeben! Leider musste ich sofort vollbremsen, weil aus dem toten Winkel eine Transuse mit Kinderwagen auftauchte. Klasse. Ich bin schon zu spät! Ich fuhr in unsere Straße, ließ den Wagen blinkend in der Einfahrt stehen, rannte die fünf Stockwerke hoch, holte den Kalender, jagte wieder hinunter, sprang in den Jeep und ging aufs Gaspedal. Ich war durchgeschwitzt und erledigt, bevor ich auch nur bei Ines angekommen war, und jede Ampel begrüßte mich mit einer ausgedehnten Rotphase. Immerhin konnte ich in der Zeit meine Nachrichten checken. Wieder nichts von Alexa22.
    Dafür SMS von Unbekannt: auftritt in kiel wieder superlustig! *grins* – *jetztnochlach* bis gaaanz bald, 1000 grussis deine flirt-moni
    Moni? Mir wurde übel. Woher hatte Moni meine Handynummer? Es reichte mir schon, dass sie bei jedem Auftritt nördlich von Hessen in der ersten Reihe saß. Für ihr Aussehen konnte sie nichts. Aber warum musste sie immer mit ihren genauso hässlichen Freundinnen die erste Reihe blockieren? Und mir nachher im Foyer oder vor der Künstlergarderobe auflauern, um mir weiße Schokolade, Roibuschtee und Butterkekse zu schenken? Ich hatte mir übrigens angewöhnt, sofort wegzuwerfen, was auch immer sie mir gab. Ich wollte meine private Welt nicht von Moni verseuchen lassen. Und jetzt das: eine SMS. Wer hatte ihr meine Nummer gegeben? Stand sie demnächst mit einem Adventskalender vor unserer Tür im fünften Stock?
    In diesem Moment sprang die Ampel auf Grün und das iPhone spielte Yellow Submarine . Und obwohl ich beim Autofahren nie telefoniere, weil ich viel zu viel Angst habe, eine Migrantin mit Doppelkinderwagen zu übersehen, ging ich ran.
    »Hallo?«
    »Hi, hier ist Markus!«
    Eine Stimme, die ich noch nie gehört hatte. Die aber so tat, als seien wir beste Freunde. Ich scannte mein Gehirn. Ich hatte ein schlechtes Namensgedächtnis. Genauer gesagt gar keins. Ich konnte mir nur Gesichter merken, aber nie die Namen dazu. Markus, das war ein Soziologiestudent mit Wuschelhaaren gewesen, der jedes Semester zum Streik aufgerufen hatte. In der Bibliothek hatte ich ihn aber auch in der streikfreien Zeit nie gesehen.
    »Hi«, sagte ich freundlich. Vielleicht war es ja der neue Spiegel -Kulturchef, und ich hatte bereits vergessen, dass er Markus hieß und wir uns schon duzten.
    »Und? Wie geht’s?«, fragte er.
    Eine Katastrophe. Ich sollte NIE wieder ans iPhone gehen, wenn der Anrufer keinem Namen zugeordnet war. Ich war falsch konditioniert. Ich hatte sechzehn Jahre lang auf Rückrufe gewartet, von Veranstaltern, Kollegen und Journalisten. Rückrufe, die nie erfolgt waren, und wenn, dann aus Versehen. Ich war bei jedem Klingeln ans Telefon gestürzt, selbst beim Einsteigen in einen ICE inmitten einer drängelnden Menge mit drei Koffern in der Hand. Das war eine geschlossene Synapse. Die Evolution hinkt den Umständen immer hinterher.
    »At it’s best!«, posaunte ich. »Und du?«
    Er schneuzte sich.

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