Superdaddy: Roman (German Edition)
Glück, sie hielt es kaum aus. Und obwohl ich eigentlich auch glücklich war, machte mich das skeptisch. Ich fragte mich, ob eigentlich mein Traum in Erfüllung gegangen war oder ihrer.
»Äh, Ines, wie soll ich bitte sechs Kolumnen pro Woche schreiben?«
Philipps Welt war natürlich längst umgezogen. Von Seite 32 der zweitgrößten Hamburger Zeitung auf Seite eins der größten. Was allerdings dazu führte, dass ich mir noch mehr den Kopf zermartern musste, denn auf keinen Fall wollte ich 300 000 Hamburger samstagmorgens zum Gähnen bringen. Ich korrigierte also bis nachts um drei und hatte dann noch dreieinhalb Stunden, bis der Wecker klingelte. Denn Charlotte schlief immer noch aus. Es war einfach ihr Biorhythmus.
»Im Monat, du Schisser! Das schreibst du doch so weg. Du kannst doch auch die ganzen alten Klamotten noch mal verwenden, die hat doch praktisch niemand gelesen. Und Brigitte Woman ! Das ist der Hauptgewinn, kapierst du nicht?«
Nein. Ich kapierte nicht, warum ich für eine Zeitschrift schreiben sollte, die Frauen in der Menopause zu Nordic Walking und Fremdgehen ermunterte.
»Weil wir natürlich ein Buch machen. Und neunzig Prozent der Buchkäufer in Deutschland lesen Brigitte Woman !«
Ich musste zugeben, Ines war schneller als ich. Bei einer Alpenüberquerung wäre sie schon im Tessin, während ich noch den ersten Pass hinaufwanderte. Ich hatte noch nie darüber nachgedacht, ein Buch zu machen. Ines hatte wahrscheinlich schon einen mittleren fünfstelligen Vorschuss dafür rausgehandelt.
»Ines, kein Buch. Ich habe definitiv keine Zeit, ein Buch zu schreiben.«
Björn brachte Kandis und Sahne und goss den Sahnetee in die Tasse mit dem weiß-blauen Meißner Muster. Er hoffte darauf, nach dem Praktikum übernommen zu werden, auf Vierhundert-Euro-plus-Schwarzgeld-Basis. So wie Ben, ihr Sekretär, der dieselbe aufwendige, künstlich verwuschelte Schlafzimmer-Frisur trug wie er. Aber Ines würde lieber den nächsten Praktikanten nehmen. Reichtum macht geizig.
»Philipp!« Sie lehnte sich vor und spielte mit ihrem Montblanc-Füller. Sie blickte besorgt, aber auch das hatte sie wahrscheinlich von einem Wie-beute-ich-meinen-Künstler-noch-effektiver-aus-Coach gelernt. »Du musst diese Sachen doch nicht SELBER schreiben. Was glaubst du, wie die anderen das machen?«
Das stimmte: ›Die ganze Wahrheit‹ von Dieter Bohlen, aufgeschrieben von Katja Kessler. Aber seit wann war ich Dieter Bohlen?
»Die ganzen Starkolumnisten!« Ines war in einen Flüsterton gewechselt, damit Ben und Björn nichts von ihrem Alte-Hasen-Wissen mitbekamen, das sie selbst erst vor einer Woche erworben hatte. »Die kriegen zwei Euro fünfzig die Zeile. Und für einen Euro lassen sie sich den Kram schreiben!«
Adorno hatte doch recht gehabt: Kulturindustrie. Jetzt auch mit Outsourcing.
»Da gibt’s sehr gute Leute«, flüsterte sie enthusiastisch. »Absolut diskret.«
Sie wirkte wie eine Mischung aus Cheerleader und Dämon. Na ja, zehn Prozent Cheerleader. Neunzig Prozent Dämon.
»Und du kannst alles noch korrigieren!«
Wie tröstlich. Das Pferd musste gar nicht rennen, weil jede Menge Ersatzpferde im Stall standen. Ich ließ etwas Sahne aus dem silbernen Schöpflöffel in den hellbraunen, durchsichtigen Tee fallen.
Ines beugte sich noch weiter vor. »Philipp!« Ihre Stimme wurde mit einem Mal sanft und mütterlich. »Du siehst nicht gut aus. Du brauchst dringend einen Zeitmanagementcoach. Du arbeitest zu viel.«
Tat ich das? Ich arbeitete eigentlich ziemlich gerne. Nur diese sechs Kolumnen würden mir die Luft abschnüren. Mit oder ohne Zeitmanagementcoach. Das war das Grundproblem: Ines fädelte diese Dinge nur ein. Die Arbeit musste ich dann alleine erledigen. Woche für Woche. Und sie würde für den Rest ihres Lebens mitverdienen, ohne je wieder etwas tun zu müssen.
»Man kann vieles delegieren, Philipp. Es gibt Social-Media-Manager, die twittern und facebooken für dich!«
Facebooken. Auch mit Moni? Die Sahne zerfiel in dicke, weiße Tropfen, die im Tee herumirrten, um sich dann mit ihm zu vermischen, so dass eine helle, undurchsichtige Flüssigkeit entstand. So undurchsichtig wie das, was Ines mir da vorschlug: einen Fremden gegen Honorar persönliche Botschaften schreiben zu lassen. Ich hätte sie jetzt fragen müssen, ob sie das ernst meinte. Aber ich wollte keinen Streit. Nicht jetzt. Ich musste meine Kraft für die wichtigen Dinge aufheben.
»So, und nun lass uns mal den Plan durchgehen. Ben?«
Aus
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