Superdaddy: Roman (German Edition)
Stunden.«
»Was heißt ungefähr?«
»Höchstens zweieinhalb. Ines ist die beste Zeitmanagerin, die ich kenne. Wenn jemand effektiv besprechen kann, dann sie.« Ich strich ihm über die Torsten-Frings-Matte.
Er sah mich misstrauisch an. »Du warst letztes Mal schon nicht da.«
»Da war ich im Quatsch Comedy Club .«
»Und vorletztes Mal.«
»Da war ich bei TV Total .«
»Papa, es sind die norddeutschen Meisterschaften! Und ich bin richtig gut drauf. Heute kann ich sogar Trond schlagen!«
Ich musste lächeln. Linus neigte dazu, sich zu überschätzen. Trond war eine Legende. Sein Vater war Klettertrainer, er trainierte praktisch jeden Tag. Trond war nicht zu schlagen. Jedenfalls nicht von Linus. Aber seine Chancen auf die Silbermedaille standen wirklich nicht schlecht, weil Arne und Ben, seine beiden Haupt-Konkurrenten, sich verletzt hatten: Schultersehnenriss und Kniescheibenbruch. Bouldern war gefährlicher als Formel eins, Skifahren und Inlineskaten zusammen.
»Beim Finale bin ich auf jeden Fall da.« Notfalls musste ich die Besprechung halt abbrechen.
Linus schluckte. »Beim Finale?«
Ich merkte, wie er die Tränen niederkämpfte. Vielleicht erreichte er das Finale gar nicht. Aber vielleicht war ich auch pünktlich. Er kletterte von meinem Schoß runter. »Und du, Luna?«, fragte er. »Kommst du?«
Luna gähnte. »Ehrlich, Linus, ich find’s cool, dass du kletterst. Du kriegst bestimmt mal den Oberkörper von Brad Pitt in Troja . Aber wieso muss man eigentlich aus jedem Scheiß einen Wettbewerb machen?«
Linus kniff den Mund zusammen. »Und du, Lasse?«
»Ich muss noch Geige üben.«
Linus konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten. »Tolle Familie!«, presste er hervor.
»Ich komme ja«, tröstete ich ihn.
»Ja, zum Finale!«, heulte er los, rannte in sein Zimmer und knallte die Tür hinter sich zu.
Unsere Türen waren nicht aus Holz, sondern aus Kunststoff. Aus sehr billigem Kunststoff. Ich hatte jedes Mal Angst, sie würden zerbrechen. In Lunas Tür war schon ein riesiger, verzweigter Riss, der aussah wie ein Ast. Die ganze Wohnung war Schrott. Wurde Zeit, dass wir umzogen. Ich stand auf und ging hinterher.
»Lass ihn«, sagte Charlotte.
Aber ich ließ mich nicht abhalten. Ich bin als Kind oft in mein Zimmer geflüchtet. Und ich war immer dankbar gewesen, wenn ich die Schritte meiner Mutter gehört hatte. Ich stand vor Linus’ Tür. Brr Brr. Ich guckte aufs Display: Dreizehn Mails, fünf SMS. Nichts vom Spiegel -Mann. Nichts von Alexa22. Na super. Der Magen krampfte sich mir zusammen. Ich öffnete die beiden SMS von Ines.
Nummer eins: hab zwei RIESEN-überraschungen!!! bussi, bis gleich.
Nummer zwei: willst du’s gar nicht wissen? na ja ;-) cu
Seit es so gut lief, erinnerte sie mich an ein kleines Kind, das seinem Papa zum Geburtstag was gebastelt hat und gar nicht erwarten kann, dass er es endlich auspackt. Ich klopfte vorsichtig an die Kinderzimmertür.
»Wer ist da?«, bollerte Linus.
»Papa«, sagte ich leise.
»Was willst du?«
»Reden.«
»Wozu?«
Ja, wozu? Ich hielt nun mal keinen Dissens aus. Mein Kindheitstrauma. Wahrscheinlich hatte Charlotte doch recht, und man sollte sich nicht von seinem eigenen Kind dafür anblöken lassen, dass man es trösten wollte. Supertrottel.
»Darf ich reinkommen?«
Stille.
»Linus?«
»Ja«, maulte er.
Ich betrat das Zimmer, setzte mich an sein Bett. Er hatte sich in seine Star-Wars-Decke verknäult. Ich wusste nicht weiter. Vor drei Jahren hätte er mich jetzt umschlungen und vorwurfsvoll »Trösten!« gerufen. In drei Jahren würde er die Tür hinter sich abschließen und mich nicht mehr reinlassen. Aber jetzt lag er einfach nur trotzig da. Und wartete. Auf meine Botschaft. Es konnte nur eine Botschaft sein.
»Ich komme, versprochen?«, flüsterte ich.
2
Ein Grand Cherokee. Dunkelgrün. 286 PS. Die meisten haben sicher eine andere Vorstellung vom Glück: ein Roman bei Suhrkamp. Eine Freundin, die aussieht wie Heidi Klum. Oder eine Transatlantikpassage auf der Queen Mary II. Für mich war es der Grand Cherokee Jeep in Natural Green Metallic mit Quadra-Trac-Allradsystem in der Limited Edition. Seit ich fünf war, habe ich von so einem Wagen geträumt. Anscheinend habe ich zu oft Daktari gesehen. Ein Gefährt, mit dem ich bis nach Syrien durchbrechen könnte, um das Volk zu befreien – aber im letzten Moment fahre ich doch nur in Ines’ neues Büro. Charlotte wollte mich zu einen praktischen VW-Crafter überreden, Linus zu einem
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