Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Superdaddy: Roman (German Edition)

Superdaddy: Roman (German Edition)

Titel: Superdaddy: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sören Sieg
Vom Netzwerk:
ab. Die Zwei-Minuten-dreißig-Version. Ich würde sie nämlich nicht weiter kürzen. Ines saß in der ersten Reihe. Es tat mir leid, aber da musste sie jetzt durch. Wenn sie schon nicht für mich kämpfte, dann musste ich es eben tun. Ich war nämlich nicht nur Dienstleister, sondern auch Künstler. Auch wenn weder Ines noch Hotte noch Hasenmüller mit diesem Wort etwas anfangen konnten. Ich schaute den Teddy an, der meinen kleinen Sohn repräsentierte, und ließ ihn mit Kinderquäkstimme sagen: »Also, ich kriege fünf Kugeln im Waffelbecher mit Sahne und Streuseln und Schokosoße?«
    »Das darf doch nicht wahr sein!«, brüllte ich den Teddy an, »wenn du noch EINMAL …«
    »Die Stelle ist gestrichen«, sagte die Regie. »Applaus und links ab.«
    »Moment«, sagte ich, »Missverständnis. Die Stelle ist nicht gestrichen.«
    Ines beugte sich nach vorn und kniff die Augen zusammen, als würde sie geblendet.
    »Doch«, widersprach die Regie. »Ist so abgesprochen. Links ab!«
    Ich hatte verloren. Aber ich gab nicht auf. Ich war Rocky, ein Boxer, ein Fighter, ein Arbeiterkind. Denk an Charlotte, befahl ich mir, denk an Luna.
    »Können wir nicht die Günther-Jauch-Frage am Anfang streichen? Das bringt auch zwanzig Sekunden!«
    Mein Mikro war bereits abgestellt. Der Regisseur hörte mich gar nicht mehr. Er saß in einer Kabine, die von irgendeinem Flur hier abging, vor sieben Bildschirmen und sah nur, dass ich die Lippen bewegte.
    »Mikro ausgefallen!«, rief ich und zeigte mit großer Geste auf den Knopf, der auf meiner Stirn befestigt war. Aber der Produktionsassistent stand schon bei mir und berührte sanft meinen Arm.
    »Herr Kirschbaum-Vahrenholz?«
    Es gab einen Ausweg. Es gab immer einen Ausweg.
    »HALLOOO!« Ich winkte mit den Armen wie ein Schiffbrüchiger. »ICH HABE HEUTE GEBURTSTAAAAG! UND ICH HABE EINEN WUUUUNSCH!«
    Der Assistent nahm meinen Arm und führte mich von der Bühne.
    »HAAALLOOO?«
    Ich war außer Kontrolle geraten. Ich hatte ganz in Ruhe den Regisseur bitten wollen, mir die letzten dreißig Sekunden zum Geburtstag zu schenken. Vielleicht war es keine gute Strategie gewesen. Aber es war eine gewesen. Vielleicht nicht gerade das, was Charlotte gemacht hätte. Oder Max. Ich sah, wie Ines ihr Gesicht mit den Händen bedeckte.
    »Und nun kommen wir zu einer wirklich verrückten Wette«, schmunzelte Hasenmüller. »Haben Sie mal an einer weißen Maus gerochen?«

5
    Der Warteraum hinter einer Fernsehbühne ist einer der merkwürdigsten Orte der Welt. Normalerweise ist das, was auf einem Bildschirm passiert, meilenweit weg und unerreichbar. Hier war es nur wenige Meter entfernt. Die Beteiligten saßen nervös auf Sesseln und Sofas oder standen herum, sie räusperten und schnäuzten sich, husteten und lästerten, noch völlig privat, und verfolgten auf dem riesigen Plasmabildschirm die Sendung, die eine Tür weiter aufgezeichnet wurde. Und dann wiederholte sich immer wieder derselbe Vorgang: Einer nach dem andern verließ den Raum durch die Tür und kehrte sogleich auf dem 22-Zoll-Bildschirm in ihn zurück. Derselbe englische Sänger, der sich eben noch hier auf dem roten Sessel gefläzt und den Moderator als ›stupid german asshole‹ bezeichnet hatte, schüttelte ihm jetzt als kleines Männchen auf dem Plasmabildschirm die Hand. Er hatte sich verwandelt, in ein öffentliches Wesen, und jedes Äh, jeder Doppelkinnansatz und jeder leere Blick wurden von dort gnadenlos übertragen in den Rest der Welt.
    Radiergummi-Torben stand in einer Ecke, starrte auf den Fernseher und fasste sich mit einer Hand an den Bauch. Gleich war er dran. Es ging ihm nicht gut. Aber mir ging es noch schlechter. Vor einer halben Stunde hatte ich eine SMS bekommen, und seitdem war mir so übel, als hätte ich fünfzig Radiergummis verschluckt. Ich wollte abhauen, aber es gab nicht mal ein Fenster. Außerdem saß Ines neben mir. Sie hatte das Vibrieren gehört, sie hatte gesehen, wie ich die Nachricht gelesen hatte, und sie sah die Schweißtropfen auf meiner Stirn, die sich immer wieder neu bildeten, obwohl wir hier alle froren wie im Kühlraum eines Schlachthofs. Warum geriet ausgerechnet ich immer in diese Falle? Hatten die anderen keine Kinder? Fixierten sie sie ans Bett, bevor sie losfuhren? Die farbige Oscarpreisträgerin neben mir mit der kehligen Stimme – vermisste sie nicht ihr Töchterchen in Los Angeles? Ich redete viel mit Künstlern bei TV-Produktionen. Sie sprachen über Felix Magath und Sebastian Vettel, über

Weitere Kostenlose Bücher