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Supernova

Supernova

Titel: Supernova Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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gezogen. Kerguelen hat mitgeteilt, dass er
das Zielobjekt aufgestöbert hat, und zwar beim Transfer zum
Habitat Noctis, in einer Kabine der ersten Klasse. Seine letzte
Nachricht besagte, dass er sich ihr nähern, sie umgarnen und so
tun wolle, als sei er auf einen Reiseflirt aus. Danach habe ich
nichts mehr gehört. Zuletzt hat er sich vor etwa elf Stunden
gemeldet. Sie müssten eigentlich bald in Noctis ankommen.
Allerdings hat er drei verabredete Rückmeldungen nicht
eingehalten. Ich kann mir zwar viele Gründe dafür
vorstellen, aber keiner davon ist gut.« Sie beobachtete Hoechst
aufmerksam: Ihr Blick huschte zwischen deren Gesicht und den
Händen hin und her.
    »Na, prima.« Hoechsts Miene nahm einen ironischen
Ausdruck an. »Ist einem von Ihnen je in den Sinn gekommen, dass
das Zielobjekt dieser Aktion möglicherweise Selbstverteidigung
beherrscht und darin geübt ist, Verfolger
abzuschütteln?«
    Franz versuchte zu antworten. »Wir wussten
nicht…«
    »Halten Sie den Mund! Das war eine rhetorische Frage.«
Hoechst sah an ihm vorbei zur Tür. »Sie haben mir
erzählt, was ich wissen musste, und ich danke Ihnen
dafür«, sagte sie wohlwollend und nickte Erica zu.
»Jamil, geben Sie U. Erica Biofeld jetzt den Kaffee.
Sofort.«
    Franz stieß sich vom Fußboden ab, schlug gegen die
Decke, wälzte sich herum und wollte den Rückstoß dazu
nutzen, Jamil zur Schnecke zu machen. Die Verzweiflung löste
seine Schwungreflexe aus und verengte seine Wahrnehmung, bis die Welt
nur noch aus einem von grauen Mauern umschlossenen Schacht bestand.
Doch Jamil hatte bereits etwas hochgestreckt, das wie ein silberner
Christbaum in Handgröße aussah, und stach damit dreimal in
Ericas Hinterkopf. Ihre Augen traten aus den Höhlen, sie
verkrampfte sich und begann sich umzudrehen, während Blut
aufspritzte…
    Irgendetwas traf Franz hart ins Kreuz.

 
    »Können Sie mich hören?«
    »Ich glaube, er spielt nur Gliederpüppchen,
Chefin.«
    Nicht ganz. Im Rücken spürte er einen brennenden
Schmerz, und seinem Kopfweh nach zu urteilen, hatte er den
grässlichsten Kater, den ein Mensch nur haben konnte. Er
fühlte sich wirklich krank. Aber das war noch nicht das
Schlimmste. Das Schlimmste bestand darin, dass er wieder bei
Bewusstsein war. Und das hieß, dass er immer noch lebte, was
wiederum bedeutete…
    »Hören Sie mir zu, Franz. Ihre Stellvertreterin stand
auf der Schwarzen Liste. Sie war U. Scotts umstürzlerischer,
subversiver Abteilung unterstellt. Ich werde dafür sorgen, dass
ihr Zustandsvektor, den wir geborgen haben, an die Wiederverwerter
weitergeleitet wird, wie es ihr zusteht, und das Urteil über
ihre Seele dem ungeborenen Gott überlassen. Aber wenn Sie Ihre
Augen nicht in dreißig Sekunden aufgemacht haben, werden Sie
ihr Gesellschaft leisten, ist das klar?«
    Er schlug die Augen auf. Das Zwielicht war schmerzhaft grell. Eine
schwarze vibrierende Kugel noch nicht geronnenen Blutes schwebte an
ihm vorbei und langsam auf einen der Entlüftungsschlitze zu. Die
Verzweiflung traf ihn wie ein samtweicher Knüppel.
    »Wir waren…« Vorsichtig machte er eine Pause, um
nach einem annehmbaren Wort zu suchen, wobei er selbst nicht wusste,
warum das jetzt noch so wichtig sein sollte. Jetzt, da sein
wirkliches Leben vorbei war, ehe es überhaupt richtig angefangen
hatte. Seine Kehle war wie ausgedörrt. »Wir standen uns
nah.« Nah, das war das richtige Wort. Es drückte
alles aus, ohne irgendetwas zu verraten.
    »Wenn Ihnen dieses innige Verhältnis so viel wert ist,
können Sie sich gern zu ihr gesellen«, teilte ihm die
Handlangerin des Teufels halbernst mit. Sie bewegte sich durch den
Raum auf ihn zu, aber er nahm sie nur verschwommen wahr und musste
darum kämpfen, den Blick zu fokussieren. »Die Rasse der
Übermenschen kann moralische Schwächlinge nicht brauchen.
Oder waren Sie so naiv anzunehmen, Sie seien verliebt gewesen?«
    »Ich bin…« – wütend, wurde ihm
klar. »Ich fühle mich krank. In meinen körperlichen
Funktionen beeinträchtigt.« Noch nie war er so wütend
gewesen, wütend aufgrund seiner Ohnmacht. Er hatte keine Wut
empfunden, als ihr Leibwächter ihn betäubt hatte und er,
festgebunden an zwei Tragebalken, wieder aufgewacht war. Nur
wahnsinnige Angst und Sorge. Aber jetzt gab ihm der Gedanke,
möglicherweise zu überleben, Raum für die Wut. Erica ist tot. Eigentlich hätte es ihm nicht so viel
ausmachen dürfen, doch sie hatten allzu lange jenseits des
Direktorats gelebt, waren ein bisschen leichtsinnig

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