Supernova
ziehe es vor, meinen Untergebenen ihren freien Willen zu
lassen.« Ihr Lächeln war wie weggewischt. »Haben Sie
Probleme damit?«
»Ich sorge mich nur um Ihre Sicherheit, Chefin.«
»Ich bin mir ziemlich sicher, dass U. Franz Bergman
weiß, wo seine Loyalitäten liegen, nachdem die Gruppe 4
zur Kontrolle der Äußeren Umwelt in der Gruppe 6, äh,
aufgegangen ist.«
Jamil holte irgendwo ein Messer heraus und machte sich daran, das
Klebeband aufzuschneiden, mit dem Franz’ Arme an die Tragebalken
gefesselt waren.
Franz riss die Augen auf. »Haben Sie aufgegangen gesagt? Was ist mit der Gruppe 4 passiert?«
»U. Vannevar Scott ist ein äußerst böser
Junge gewesen«, trillerte Portia. »So böse, dass
Oberabteilungssekretär Blumlein es für angemessen hielt,
ihm sein ganzes Spielzeug wegzunehmen.« Leichte Betonung auf ganzes, hochgezogene Braue, geschürzte Lippen. »Sie
selbst stehen auf der Grauen Liste.« Im Unterschied zur Grauen
Liste bedeutete die Schwarze Liste: Uploading des Gehirns,
erneuter Einsatz nur mit äußerstem Vorbehalt. »Die Liste ist nicht besonders lang, aber Sie stehen drauf.
Wer weiß? Wenn Sie hart dafür arbeiten, bleiben Sie
vielleicht sogar drauf.«
Franz taumelte leicht, nachdem er von den Tragebalken losgebunden
war und frei im Raum schwebte. »Was erwarten Sie von mir?«,
fragte er nervös, denn ihm schwante Schlimmes. »Niemand hat
uns irgendetwas davon erzählt…« Er schluckte.
»Sehr richtig.« Portia deutete mit dem Kinn auf den
großen, muskulösen Jamil. »Sie und Jamil werden auf
Inspektionstour gehen. Sie werden mir einen Lagebericht geben. Jamil
wird Sie dabei nicht aus den Augen lassen und überwachen, wie
Sie die Sache erledigen. Betrachten Sie’s als
Aufnahmeprüfung.« Sie sah die unausgesprochene Frage in
seinen Augen. »Für Sie wie für Ihre Leute.«
»Ich bin, äh, sehr dankbar…«
»Dazu besteht kein Grund.« Das strahlende Lächeln
war wieder da. »Ich möchte wissen, was da draußen in
der Barbarei vor sich geht. Sie haben zwei Kilosekunden, um es
herauszufinden. Und bis ich zu dem Schluss gekommen bin, dass Sie die
Prüfung bestanden haben, wird der Tod Ihnen wie der leichtere
Ausweg vorkommen, das können Sie mir glauben.«
Als Franz zur Kapsel zurückkehrte, hatte er wirklich Angst.
Als ob das Chaos, das er in den letzten neun Monaten zusammengehalten
hatte, nicht schon schlimm genug gewesen wäre, stieg ihm jetzt
auch noch diese teuflische Abteilungssekretärin samt
Leibwächtern und großem Einsatzteam aufs Dach.
Glücklicherweise war Erica bei ihm, die einen beruhigenden
Einfluss auf ihn hatte. Aber diese Neuigkeiten…
Als er Erica über die Schulter ansah, erwiderte sie seinen
Blick und versuchte, sich nichts anmerken zu lassen – ganz die
kompetente Stellvertretende Bereichsleiterin, die dem Beispiel ihres
Vorgesetzten folgte. Hinter beiden ging der unerschütterliche,
bedrohliche Jamil. »Ich komm schon damit klar«, beruhigte
er sie.
»Verstehe.« Am liebsten hätte er nach ihrer Hand
gegriffen, doch das wagte er nicht. Nicht vor Jamil. Erica wirkte
sowieso schon sehr verunsichert. Vielleicht hatte sie von sich aus
herausgefunden, wie es um sie beide stand, aber er konnte es nicht
genau sagen.
Die Abteilungssekretärin, die auf ihn wartete, ähnelte
einer Spinne im Netz, einer schwarz glänzenden, Fleisch
fressenden Spinne. Wenn sie lächelte, teilten sich ihre
beunruhigend roten Lippen und enthüllten perfekte Zähne.
Meergrüne Augen, kalt wie der Tod, beobachteten ihn. Hinter ihr
wartete der Leibwächter. »Sie haben’s fünfzig
Sekunden schneller als erwartet geschafft!« Sie musterte Erica.
»Sie sind also U. Erica Biofeld?«
Franz sah aus dem Augenwinkel, wie Erica nickte. Er konnte die
Abteilungssekretärin regelrecht riechen, von ihr
strömten Wellen eines warmen, den Verstand benebelnden
Zusammengehörigkeitsgefühls der Familie aus. Und er
spürte Ericas Nervosität. »J-ja, Chefin.«
»Lassen Sie U. Erica Blofeld für sich selbst
sprechen«, forderte Hoechst ihn sanft auf. »Sie können
doch sprechen, oder?«
»Ja.« Erica räusperte sich. »Ja, äh,
Chefin? Niemand hat uns etwas erzählt.«
»Jamil, hat U. Franz Bergman U. Erica Blofeld irgendetwas
Wesentliches über die Veränderung in der Leitungsstruktur
erzählt?«
»Nein, Chefin.«
»Gut.« Hoechst konzentrierte sich auf die Frau.
»Wie ist die Lage, Erica? Sagen Sie’s mir.«
»Ich…« Sie zuckte verlegen die Achseln. »Burr
und Samow haben eine Niete
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