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Supernova

Supernova

Titel: Supernova Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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warf.
    »Nachricht an Martin, nicht über das normale Netz,
sondern über das Ortungssystem für Notfälle«,
sagte sie lautlos zu ihrem persönlichen Assistenten, indem sie
in ihre Ringe murmelte. »Martin, wenn du diese Nachricht
erhältst, sitzen wir tief in der Patsche. Hier geht etwas sehr
Schlimmes vor sich«, sie bog um eine Ecke und folgte den
Wegweisern zum Kontrollzentrum auf Deck D, »und ich glaube, wir
sitzen auf dem Pulverfass.« Die Tür zum Kontrollzentrum
stand so weit offen, dass sie im Zwielicht gerade noch mehrere
Besatzungsmitglieder erkennen konnte, die da drinnen mit irgendetwas
beschäftigt waren. Einer von ihnen warf ihr einen Blick zu und
trat vor. »Ich glaube…«
    Mit weit aufgerissenen Augen blieb sie wie angewurzelt stehen, als
eine allgemeine Durchsage durch die Lautsprecher drang: »Zu
unserem Bedauern müssen wir Ihnen mitteilen, dass im Zentrum zur
Antriebsüberwachung und technischen Kontrolle ein kleines
Problem aufgetreten ist…«
    Der Mann, der den Eingang blockierte, richtete ein
vollautomatisches Gewehr mit selbstständiger Zielerkennung auf
sie. Rachel erstarrte, als es sich an sie heranschnupperte, sie ins
Visier nahm und mit dem Lauf direkt auf ihr Gesicht zielte. »Wer
sind Sie, und was machen Sie hier?«, fragte der Mann in barschem
Ton.
    »Ich, äh…« Sie stockte, ihr Herz schlug ihr
bis zum Hals. »Ich habe nach einem Steward gesucht.«
Unwillkürlich hatte ihre Stimme einen hohen, schrillen Ton
angenommen. Sie wollte den Rückzug antreten, blieb jedoch wie
angewurzelt stehen, als sie merkte, wie der Mann sich anspannte. Er
hatte blondes Haar, braune Augen und eine blasse Haut. Sein
Körperbau, die sparsamen Bewegungen und die muskulöse
Grazie deuteten auf einen Tänzer oder Kampfsportler hin –
vielleicht auch auf eine spezielle militärische Ausbildung, wie ihr schlagartig klar wurde. Selbst ein flüchtiger Blick
verriet ihr, dass sie keine Chance hatte, sollte er sich dazu
entschließen, auf sie zu schießen. Die Waffe war ein
Mittelding zwischen einem intelligenten Gewehr und einem Granatwerfer
und vermutlich sogar in der Lage, um Ecken herum zu feuern und durch
Wände zu sehen. »Meine Ringe funktionieren nicht mehr
– wie steht’s mit der versprochenen Hilfe?«, fragte
sie und tat ihr Bestes, verwirrt zu wirken, was ihr nicht schwer
fiel.
    »Es hat eine kleine Panne gegeben«, sagte der
Schlägertyp. Er klang sehr gelassen, hielt seine Anweisungen
jedoch knapp: »Kehren Sie zu Ihrer Kabine zurück. Es ist
alles unter Kontrolle.« Er schwieg und bedachte sie mit einem
kühlen Blick.
    »Ah ja, unter Kontrolle, das kann ich sehen«, murmelte
Rachel und zog sich zurück. Er machte keine Anstalten, ihr zu
folgen, sondern blieb im Eingang stehen und sah zu, wie sie sich
umdrehte und zurück in den Passagierbereich ging. Ihre Haut
prickelte, so als spürte sie, wie der Gewehrlauf ihrem
Rücken folgte und sich am liebsten entladen hätte. Als sie
genügend Abstand zwischen sich und den Mann gelegt hatte, gab
sie dem Impuls loszurennen nach – wahrscheinlich erwartete der
Mann von einem erschrockenen Passagier gar nichts anderes.
Hauptsache, er merkte nicht, wie gut sie im Dunkeln sehen konnte. So
gut, dass sie im Zwielicht hinter ihm die Frau hatte erkennen
können, die über ihrem Computer zusammengesunken war. So
gut, dass sie auch die andere Frau gesehen hatte, die deren
Rücken mit etwas bearbeitete, das einem neurochirurgischen
Instrument beunruhigend ähnlich sah.
    Unter Kontrolle. »Scheiße«, murmelte sie,
fummelte ungeschickt an der Tür herum und merkte zum ersten Mal,
dass ihre Hände zitterten. Üble Typen im
Schadenskontrollzentrum auf Deck G, feindliche Übernahme des
öffentlichen Kommunikationsnetzes, was will ich mehr? Als
die Tür hinter ihr laut zuschlug, schüttelte sie den Kopf. Luftpiraten…
    Sie bog zum zentralen Atrium ab, da sie die altmodische Treppe
nehmen wollte, um zu ihrer Kabine zurückzukehren und nach Martin
zu suchen. Beim ersten Schritt vorwärts stieß sie mit dem
dunkelhaarigen Mädchen zusammen, das ihr entgegenkam.

 
    Die Luft im Cockpit stank nach Blut, Ozon und Fäkalien. Die
Schreibtische und Regale in diesem Raum sahen so aus, als hätte
sie jemand durch eine Schrottpresse laufen lassen; alles, was nicht
festgeschraubt war, war umgefallen und auf dem Boden zerschmettert.
Und das galt auch für die Brückenoffiziere, die das Pech
gehabt hatten, sich hier aufzuhalten, als die Sprengladung
hochgegangen war. Leichen, aus

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