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Supernova

Supernova

Titel: Supernova Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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Sie mir den Kopf von Svengali, dem
Clown.«
    »Ich habe aber kein Bolzenschussgerät zur
Hirnentnahme…«
    »Von ihm wollen wir auch nichts verwerten«,
erklärte sie entschieden und schüttelte sich leicht vor
Ekel. »Vor manchen Dingen sollte man selbst den ungeborenen Gott
bewahren.«
    »Aber dann ist es ja endgültig! Wenn Sie ihn umbringen,
ohne seine Seele zu bergen…«
    »Franz.« Sie bedachte ihn mit einem kalten Blick.
    »Chefin?«
    Sie legte den Kopf schräg. »Manchmal habe ich den
Eindruck, dass Sie zu weich für diesen Job sind«, sagte sie
nachdenklich. »Ist es so?«
    »Nein, Chefin!« Er holte tief Luft. »Hab nur ein
bisschen gebraucht, mich an Ihren Führungsstil zu gewöhnen.
Aber ich bin dabei, mich anzupassen.« Ganz richtig, kau dir
ruhig das eigene Bein ab.
    Sie nickte kurz. »Dann sorgen Sie dafür, dass es auch
klappt.«
    »Ja.«
    Er wusste, wann es an der Zeit war wegzutreten. Bringen Sie mir
den Kopf von Svengali, dem Clown. Nun ja, wenn es das war, was
sie von ihm verlangte, würde er es tun. Aber die Vorstellung,
den Kerl umzubringen, ohne ihm das Sterberitual zu gewähren, kam
ihm irgendwie… War geschmacklos das richtige Wort
dafür? Nein, es war schlimmer als geschmacklos. Geschmack
implizierte ein persönliches Werturteil, war Ansichtssache. Aber
hier ging es um die vollständige und endgültige
Auslöschung eines Menschen. Vor manchen Dingen sollte man
selbst den ungeborenen Gott bewahren, hatte seine Vorgesetzte
gesagt. Und das bedeutete, dass bestimmte Erinnerungen niemals
kartiert und für die Nachwelt archiviert werden sollten; die
himmlische Maschinerie sollte davon absehen, die Machenschaften
solcher Sterblichen aufzudecken, die bei Ankunft am Tor des
ungeborenen Gottes Kritik auf sich ziehen würden. Scheiße
stank nun mal, und der ungeborene Gott sollte rein und unschuldig ins
Dasein treten, wenn das verabscheuungswürdige, nicht-menschliche
Eschaton erst einmal vernichtet war.
    Unmittelbar hinter der Brückentür blieb Franz kurz
stehen und sog die reine, gefilterte Luft ein, die nichts von dem
Blutbad im Cockpit verriet. Samows gezielt platzierte EMP-Bombe hatte
mit ihrem Echoimpuls eine massive Druckwelle über das Deck mit
den Diensträumen gejagt, das unterhalb der Brücke lag und
durch einen Lagerraum mit ihr verbunden war. Diese Welle hatte den
mit Supraleitern ausgestatteten Gravitationsring unterhalb der
Brücke überlastet und für den Bruchteil einer Sekunde
alles, was sich darüber befand – bis zum nächsten Deck
und bis zum nächsten Ring – dem Knochen brechenden Druck
der vollen dreißig g ausgesetzt, die das Schiff
während der Beschleunigung machte. Inzwischen hatte Jamil
zusammen mit einem der vertrauenswürdigen Schläger der
Angriffstruppe das Ausbildungszentrum für Flugoffiziere besetzt.
Der Simulationsraum war mit den Brückensystemen gekoppelt und
hatte während der Vorbereitungen auf den ersten Sprung als
Hilfsbrücke gedient. Anfangs hatte der Dienst habende Offizier
nicht recht kapiert, was vor sich ging; Kurt hatte sein Gehirn
entnommen und ihn zur Marionette gemacht – und damit war auch
das Problem der biometrischen Identifikation und der damit
verbundenen Genehmigung zur Nutzung der Systeme gelöst.
    Jetzt befanden sie sich rund drei Lichtjahre ab vom Kurs und
bereiteten sich auf den kritischen zweiten Sprung von insgesamt vier
Sprüngen vor, die das Navigationsteam an Bord der Heidegger für sie ausgetüftelt hatte. Ein Linienschiff
während der Fahrt zu übernehmen, war ein kalkuliertes
Risiko gewesen, aber bisher war alles gut gegangen. Passagiere und
Besatzung hatten von Minute zu Minute weniger Chancen, irgendetwas
gegen sie zu unternehmen. Und wenn Mathilde erst einmal die
allumfassende Überwachungssoftware im öffentlichen
Kommunikationsnetz installiert hatte, würde das Schiff besser
kontrolliert sein als irgendein Hochsicherheitstrakt.
    Portia Hoechst hatte die Sache so eingefädelt, dass schon vor
ihrer Ankunft mit dem Team von Geheimdienstlern und Experten eine
militärische Spezialeinheit auf dem Schiff postiert gewesen war.
Eigentlich mussten sie jetzt nur noch eine der beiden Brücken
übernehmen, außerdem die technischen Räume zur
Antriebsüberwachung, einige Schadenskontrollzentren und die
zentralen Versorgungssysteme. Sobald sie in der Lage waren,
jedermanns Bewegungen an Bord durch Wände und Böden zu
verfolgen, und, sofern ihnen etwas Unliebsames auffiel, mittels
Fernsteuerung die Türen zu verriegeln oder die

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