Supernova
keinen Journalisten mit dem
Körperbau eines Silberrückengorillas.
Nach zweistündiger Suche hatte Rachel die Decks G bis D
durchgekämmt, einen Rundgang durch jeden kreisförmigen
Korridor gemacht, jeden einzelnen Gesellschaftsraum
überprüft und verzweifelte allmählich. Wo, um alles
in der Welt, kann sie nur stecken?, fragte sie sich. Offenbar
hatte ihre Nachricht auf Wednesdays Anrufbeantworter nichts bewirkt.
Sie war schon so weit zu überlegen, ob sie die Sache mit Steffi
besprechen sollte. Vielleicht konnte die Besatzung effektiver nach
Wednesday suchen. Hätte sie nur die gesamte Mannschaft von der
Liste der Verdächtigen streichen können…
Plötzlich flackerten die Leuchtfelder an der Decke kurz auf,
gleichzeitig lud sich die Atmosphäre in schillernden Farben mit
Elektrizität auf. In Rachels Kopf breitete sich eine gewaltige
Leere aus. Als sie spürte, wie sie fiel, versuchte sie noch
schützend die Arme vorzustrecken. Ein Schwindelanfall! Sieschlug schmerzhaft auf dem Deck auf und rollte sich mit
flackerndem Blick auf die Seite. Es dauerte lange, bis die Spannung
aus der Atmosphäre wich, und sie hinterließ eine
gespenstische, blutrote Spur auf Rachels Netzhaut. Benommen vor
Angst, hielt Rachel den Atem an, doch dann merkte sie, dass nicht ihr
Sehvermögen beeinträchtigt war: Die Displays in ihren Augen
waren abgestürzt und starteten jetzt neu.
»Scheiße!« Sie blickte sich um. Der dünne Mann
in der Gold-Lounge, der auf dem Ledersofa neben dem Klavier
saß, runzelte die Stirn und drehte seine Kommunikationsringe
so, als wäre er irgendwie ratlos. Die Ringe: Sofort drehte Rachel an ihrem eigenen Kontrollring und ging verschiedene
analytische Menüs durch, bis sie das kritische gefunden hatte. EMP-Explosion, sagte ihr Logbuch, das alle besonderen
Vorkommnisse aufzeichnete. Wie viele Kilovolt und Mikroampere pro
Meter? Irgendjemand hatte gerade einen gewaltigen elektromagnetischen
Impuls durch die Wände gejagt. Die Luft roch schwach nach Ozon.
Die schnell reagierenden Sicherungen in ihren komplexen
Implantationen hatten diese vor der Zerstörung bewahrt, aber die
anderen Passagiere…
»Oh, Scheiße!« Sie rappelte sich hoch und taumelte
wie betrunken auf den Gang. »Hol mich hier raus, Martin.« Keine Verbindung. »Verflixt und zugenäht.« Niemand reagiert schockiert auf diesen Vorfall. Warum heulen keine
Sirenen auf?
Hastig blickte sie sich um und hielt nach einem Schrank mit
Notausrüstung Ausschau. Bestimmt waren diese Schränke auf
einem Linienschiff diskret getarnt, dennoch musste es sie geben. Warum sind hier keine Sicherungsschotts? Die pannensicheren
Schotts mussten doch herabfallen, wenn irgendetwas Schlimmes
passierte. Sie spürte, wie eiskalte Angst an ihr zerrte.
»Scheiße, Zeit, irgendwas zu unternehmen…«
Der kleine Junge, der in einer Ecke der Lounge gesessen hatte,
ging auf sie zu. »He, Madam? Meine Computerspiele sind mir
gerade abgestürzt…«
Sie bedachte den Jungen mit einem genervten Lächeln.
»Jetzt nicht«, erwiderte sie, besann sich aber
plötzlich anders: »Warum gehst du nicht zu deiner Kabine
zurück und erzählst deinen Eltern davon? Sie können
dir sicher helfen.« Elektromagnetischer Impuls/ Implantate
und Computerspiele geben den Geist auf/ Attentäter reist
inkognito/ Teenager aus Moskau wird gejagt/ Eschaton ist beteiligt/
Kriegsverbrechen… An ihr nagte das Gefühl, dass gerade
ein Schuh hart aufgetroffen war, ein mächtiger Stiefel, dessen
Absatz mit Plutonium, scharfem Anthrax, Gray Goos – sich selbst
replizierenden Nanorobotern – oder ähnlich apokalyptischen
Dingen gefüllt war und sie das Geräusch irrtümlich
für das Aufklatschen einer Hand gehalten, als harmlos verkannt
hatte. Es muss sich um etwas dieser Art handeln. Auf der Suche
nach der nächsten Abzweigung setzte sie sich in Trab. Muss
das Zentrum zur Schadenskontrolle finden. Muss herausfinden, was hier
vor sich geht…
Sie wich einigen verwirrten Passagieren aus, die offenbar jemanden
suchten. Als sie eine nicht gekennzeichnete graue Seitentür
entdeckte, die zu den Räumen der Besatzung führte, und sie
mit ihrem Ausweis zu öffnen versuchte, verweigerte die Tür
ihr den Zugang. Schließlich hatte sie das Abwarten satt und
drehte den schwarz-gelben Notgriff herum. Jenseits der Tür
vernahm sie gedämpft Sirenengeheul, das aus weiter Ferne zu
kommen schien.
Die Notbeleuchtung hatte sich eingeschaltet, die Wände
reflektierten gespenstisches Licht, das keine Schatten
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