Supernova
Verbindung zu seinen Implantaten herstellen und
die jüngsten ballistischen Aufzeichnungen und ein einfaches
Zielsystem heraufladen konnte. Franz gefiel es nicht sonderlich, eine
Waffe bei sich zu tragen. Zwar wusste er damit umzugehen, aber wenn
er bei seiner speziellen Arbeit dazu gezwungen war, hieß das
normalerweise, dass seine Tarnung aufgeflogen und sein Job, wenn
nicht sogar sein Leben, beendet war. Er kramte weiter in der Kiste
herum und nahm entgegen Portias ausdrücklichem Befehl ein
Bolzenschussgerät zur Hirnentnahme an sich. Man konnte ja nie
wissen…
Er wollte das Zimmer schon verlassen, als ihm etwas ins Auge fiel.
Neben dem Bett lag ein geöffneter Koffer, auf dem sich
schmutzige Wäsche stapelte – offenbar waren es die Sachen,
die seine Chefin vorhin getragen hatte. Plötzlich neugierig
geworden, blieb er stehen. Sollte sie etwa… Ob es sich lohnt,
mal nachzusehen? Also gut… wahrscheinlich schon. Er warf
einen Blick zur halb geöffneten Tür: Es war niemand zu
sehen. Also kniete er sich nieder, durchsuchte den Inhalt des Koffers
und danach den Deckel, bis er in einer Seitentasche eine Ausbuchtung
spürte. Sich selbst für seinen Optimismus verfluchend, zog
er den Reißverschluss der Tasche auf, holte eine kleine
Schachtel heraus und stellte das Fluchen sofort ein. »Du meine
Güte!«, flüsterte er. Er klappte die Schachtel auf,
schloss sie gleich wieder, stand auf, verstaute sie in einer
Hüfttasche und kehrte ins Wohnzimmer zurück. Fast hatte er
das Gefühl, man könne ihm die bösen Absichten
anmerken: Sein Puls raste.
Die Schachtel enthielt einen daumengroßen Edelstein, der auf
einem mit optischen Portalen ausgestatteten Keramikblock – dem
Schreib-/Lesekopf – saß. Es war ein Speicherdiamant,
dessen Atome ein Muster aufwiesen, bei dem die Kerne von Kohlenstoff
12 und Kohlenstoff 13 jeweils miteinander abwechselten. Die wenigen
Auserwählten des ungeborenen Gottes bevorzugten diese Form der
Datenspeicherung, denn sie war ebenso ökonomisch wie langlebig.
Zwölf Gramm reichten aus, um darauf tausend kartierte Hirne und
die damit verbundenen genomischen Daten abzuspeichern. Der Diamant
war Hoechsts Seelenlager. Dort speicherte sie die Daten jedes
Menschen ab, den sie im Laufe ihrer Tätigkeit liquidiert hatte,
bis die Wiederverwerter diese Daten archivieren konnten. Archivieren
bis zu dem Tag, an dem man den ungeborenen Gott erschaffen und sich
dabei auf diese eingefrorenen genetischen Merkmale, Erinnerungen und
Charakteristika stützen würde. Dass Hoechst den Diamanten
derart nachlässig in irgendeinem Gepäckstück verborgen
hatte, konnte kein Zufall sein. Wahrscheinlich war sie zu dem Schluss
gekommen, dass sich der Saferaum des Schiffes allzu offensichtlich
als Versteck anbot. Der Diamant war ein Symbol ihrer Autorität,
ihrer Macht über Leben und Tod derjenigen, die ihr dienten,
selbst wenn sie schon gestorben waren. Franz konnte keine Nachsicht
von ihr erwarten, wenn sie herausfand, dass er ihn an sich genommen
hatte. Doch wenn er es schaffte, dem Diamanten eine einzelne
abgespeicherte Seele zu entreißen, um ihn danach am alten Platz
zu verstauen, würde ihm nichts passieren. Und eben dieses
Vorhaben ließ seine Hände feucht werden und sein Herz
rasen – vor Mitleid, Angst… und Hoffnung.
Niemand achtete auf ihn, als er sich zurück ins Wohnzimmer
schlich. »Ich gehe nach unten, um meinen Auftrag zu
erledigen«, teilte er der Kommunikationsexpertin mit.
»Haben Sie ein Funktelefon?«
»Klar.« Sie warf ihm einen robusten Handapparat zu.
»Nach dem nächsten Sprung hören Sie nur noch
Wortsalat. Bringen Sie das Gerät später zur Neueinstellung
zurück.« Muss ein Kausalkanal sein, wurde ihm klar.
Die mit Quantentechnologie arbeitenden Geräte, die
unverzüglich eine Verbindung aufbauten und nicht anzuzapfen
waren, wurden bevorzugt eingesetzt, wenn es um abhörsichere
Kommunikation ging, zumindest zwischen den Sprüngen, denn
Überlichtgeschwindigkeit bekam ihnen nicht.
»Mach ich.« Er ließ den Apparat in die Tasche
gleiten. »Auf bald.«
Als es im Speisesaal Aufruhr gab, stand Steffi auf.
»Bitte!«, brüllte sie. »Bitte beruhigen Sie sich,
die Lage ist unter Kontrolle…«
Wie vorherzusehen gewesen war, konnte sie damit nichts ausrichten.
Aber sie musste es zumindest versuchen: »Hören Sie, setzen
Sie sich bitte! Oberleutnant Fromm untersucht gerade, was vorgefallen
ist. Ich kann Ihnen versichern, dass es sich um nichts Ernstes
handelt, aber bitte nehmen Sie
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