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Supernova

Supernova

Titel: Supernova Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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erlitten. Die Szene erinnerte ihn vage an einen
Kinderhort daheim, aber kein Erzieher hätte dort auch nur eine
Sekunde lang eine solche Zuchtlosigkeit geduldet. Etwa dreißig
kleine Kinder rasten im Raum herum, einige nackt, andere in
kunstvollen Kostümen. Die Lampen flackerten in verschiedenen
Farbkombinationen auf, und die Wände zeigten eine phantastische
Szenerie nach der anderen – glühende Grotten,
Wüstensand, Regenwälder. Oben schwirrten viele silberne
Ballons herum und schwebten so weit herunter, dass man sie fast mit
den Fingerspitzen berühren konnte, um dann so schnell zur Seite
abzutauchen, wie es die überlasteten Windmaschinen
zuließen. Die Musik war ohrenbetäubend laut; es war
irgendein rhythmisch dröhnender Bass, zu dem Stimmen einen
unsinnigen Refrain sangen.
    Franz bückte sich und fasste die Rebellin, die ihm am
nächsten stand, bei der Hand. »Was ist hier los?«,
fragte er. Das kleine Mädchen starrte ihn mit großen Augen
an, entzog ihm die Hand und rannte weg. »Mist«, murmelte
er. Gleich darauf bemerkte ihn ein kleiner Wilder im Lendentuch und
schlenderte herüber, wobei er eine Hand, offenbar
schüchtern, hinter dem Rücken verbarg.
»Hallo.«
    »Hallo!« Plötzlich knallte es laut, wie von einem
Schlag. »Hihihi…«
    Franz schaffte es gerade noch, sich soweit zu bremsen, dass er den
Jungen nicht erschoss – das hätte sein wirkliches Ziel
warnen können. »Verdammt!« Sein Kopf tat weh. Was
hatte der Junge benutzt? Einen Schläger? Wieder schüttelte
er den Kopf.
    »Hallo, wer sind Sie?«
    »Ich bin…«, er stockte. Das Mädchen, das sich
über ihn beugte, wirkte größer – nein, das war
es nicht. Es sah irgendwie älter aus. Es war nicht
größer als die anderen Kinder, hatte aber trotz des
siebenjährigen Körpers, der nur aus Ellbogen und Knien zu
bestehen schien, etwas Selbstsicheres, Gelassenes an sich. »Ich
bin Franz. Und wer bist du?«
    »Ich bin Jennifer«, erklärte das Mädchen
locker. »Das hier ist die Geburtstagsparty von Barnabas, wissen
Sie. Sie sollten hier nicht einfach so hereinplatzen. Dann reden die
Leute und denken was Falsches.«
    »Na ja«, Franz dachte einen Augenblick nach. »Ich
bin ja auch hier, um mit jemandem zu reden, also ist das kein
Problem. Ist Sven der Clown hier irgendwo?«
    »Ja.« Sie grinste ihn wenig hilfsbereit an.
    »Und verrätst du mir auch, wo er ist?«
    »Nein.« Er stand auf und war drauf und dran, sich in
drohender Haltung vor ihr aufzubauen, doch sie zeigte kein Zeichen
von Ängstlichkeit. »Ich glaube wirklich nicht, dass Sie
etwas besonders Gutes mit ihm vorhaben.«
    Gutes mit ihm vorhaben? Was für ein Kind hatte er da vor
sich, verdammt noch mal? »Meinst du nicht, dass er das
besser beurteilen kann als du?«
    Zu seiner Verblüffung verhielt sie sich so, als müsste
sie ernsthaft darüber nachdenken. »Kann sein«,
räumte sie ein. »Wenn Sie sich nicht von der Stelle
rühren, werde ich ihn fragen.« Pause. »He,
Sven! Was sagst du dazu?«
    »Ich sage«, war eine Stimme direkt hinter Franz’
Ohr zu vernehmen, »er hat Recht. – Bewegen Sie sich nicht,
Mister Soundso.« Franz erstarrte, als er einen harten Stoß
im Kreuz verspürte. »Gut so. Abhörschutz an. Jen, bist du so gut und hältst die Party am Laufen? Ich
werde mit meinem Freund hier einen kleinen Spaziergang machen. Wenn
ich zu reden aufhöre, mein Freund, werden Sie sich langsam
herumdrehen und losspazieren. Sonst muss ich Ihnen die Eier
ausblasen, und das tut weh, soweit ich weiß.«
    Franz drehte sich langsam um. Der Clown reichte ihm kaum bis ans
Kinn. Sein Gesicht bestand aus einer grotesken Plastikmaske: riesige
grinsende Lippen, Knollennase, grünes, stacheliges Haar. Er trug
ein rosafarbenes Ballettröckchen, sorgfältig gearbeitete
Bergwanderstiefel und hielt etwas in der rechten Hand, das wie eine
Puderdose aussah. Aber er hatte das Ding wie eine Waffe
gezückt.
    »Was ist das?«, fragte Franz.
    »Marschieren Sie los.« Der Clown deutete mit dem Kinn
auf die Tür.
    »Wenn ich das tue, sind Sie ein toter Mann«,
erklärte Franz gelassen.
    »Ach ja? Sie aber auch.« Das Gesicht hinter der
grinsenden Plastikmaske lächelte keineswegs, und die Puderdose
gab nicht nach. Franz hielt das Ding für irgendeine getarnte
Kleinkaliberpistole. »Wer hat Sie geschickt?«
    »Ihr Kunde.« Franz lehnte sich gegen die Wand, streckte
die Finger vor und verschlang sie miteinander, damit das Zittern
aufhörte.
    »Mein Kunde. Können Sie mir diesen
geheimnisvollen Kunden

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