Supernova
Farbexplosion griff nach dem
Glas, schwenkte es und stürzte den Drink hinunter. »Meine
Güte, das hab ich gebraucht. Danke für den Tipp. Ich kann
jetzt schon sagen, dass wir eine lange währende und fruchtbare
Beziehung miteinander eingehen werden – die Flasche und ich,
meine ich.«
»Na ja, solange Sie mich nicht für den Kater
verantwortlich machen…« Frank nahm einen Schluck und sah
sich erneut in der Bar um. Aber bis auf die Geklonten aus der
germanischen Diaspora war keine Rettung in Sicht.
»Also, wo fahren Sie hin, Mister Soundso?«, fragte der
Kleine, während die Kellnerin ihm ein zweites Glas
hinstellte.
»Als Nächstes nach Septagon.« Frank ergab sich ins
Unvermeidliche. »Danach wahrscheinlich weiter nach Neu-Dresden
und von dort aus nach Wien. – Hab gehört, sie hätten
dort einige Moskauer Flüchtlinge aufgenommen. Wissen Sie
zufällig was darüber? Newpeace lasse ich aus.« Ihm
lief kurz ein Schauer über den Rücken. »Wenn das
Schiff die Schleife gemacht hat und wieder in Neu-Dresden anlegt,
trete ich damit die Rückfahrt nach Septagon und zur Erde an.
Oder dahin, wo mein Job mich hinführt.«
»Aha. Hm.« Über das Gesicht des Kleinen legte sich
ein nachdenklicher Ausdruck, sodass sich Falten bildeten. »Also
sind Sie Journalist?«
»Nein, aber Kriegsberichterstatter mit eigenem Tagesjournal
im Netz«, räumte Frank ein, wobei ihm nicht klar war, ob er
sich wegen der Intuition seines Gegenübers ärgern oder
geschmeichelt fühlen sollte. »Und warum sind Sie an
Bord?«
»Ich bin Clown; mein Bühnenname
lautet Svengali. [2] Allerdings bin ich jetzt nicht im Dienst. Und falls Sie mich bitten,
irgendeinen Witz zu reißen, muss ich prüfen, ob in Ihrer
Heimatwelt Duelle erlaubt sind.«
»Ähm…« Als sich Frank angemessen auf den
kleinen Mann konzentrierte, rastete in seinem Gedächtnis
irgendetwas ein. Er tat einen kräftigen Zug, wälzte den Rum
in seinem Mund herum und schluckte ihn schließlich hinunter.
»Also, wer sind Sie wirklich! Keine Angst, ich zeichne
hier nichts auf, bin ja auch nicht im Dienst.«
»Ein Mann nach meinem Geschmack.« Svengali grinste ohne
jede Spur von Humor. »Es ist nicht besonders lustig, als Clown
aufzutreten, zumindest nicht mehr nach den ersten sechstausend
Vorstellungen. Ich kann mich nicht einmal an meinen wirklichen Namen
erinnern. Ich arbeite mich von vorn bis hinten durch die ganze
Galaxie, unterhalte Schwachköpfe, die in Löchern hausen,
und stecke das Geblöke so gut ich kann weg. Vor anderen Leuten
trete ich gar nicht erst auf. Könnte ja sein, dass ich mich
irgendwann in einer Gegend zur Ruhe setzen möchte, die kein
Scheißloch ist.«
»Oh. Und Sie arbeiten für WhiteStar?«
»Ja, aber nur auf der Basis freier Verträge, nicht fest
angestellt. Ich halte nichts davon, den Leibeigenen für
irgendwelche Arbeitgeber zu spielen.«
»Oh. Und besteht auf einem Linienschiff großer Bedarf
an Clowns?«
Svengali nahm einen weiteren Schluck Rum, ehe er mit
gelangweilter, monotoner Stimme erwiderte: »WhiteStars
Linienschiff Romanow hat 2318 Passagiere an Bord,
außerdem 642 Mannschaftsangehörige und 76 Personen, die
dem technischen Personal oder Flugpersonal angehören. Wenn wir
in elf Tagen den nächsten Hafen anlaufen, wird sich diese Zahl
um eins erhöht haben. Denn nach den Statistiken wird es auf
dieser Reise zwei Geburten und, mit siebzigprozentiger
Wahrscheinlichkeit, mindestens einen Todesfall geben, allerdings ist
bisher keiner eingetreten. Außerdem hat die Mannschaft 31
Verwandte oder Bekannte mit an Bord gebracht. Na ja, ein
Großteil dieser Meute ist längst erwachsen, aber alles in
allem gibt’s hier 118 vorpubertäre Nervensägen, die
unter der allzu großen Beachtung der Erwachsenen leiden. Die
meisten davon sind Einzelkinder oder haben Geschwister, die zwanzig
Jahre älter sind, sodass man sie durchaus der Spezies verwöhnte Blagen zurechnen kann. Irgendjemand muss die
Affen im Freigehege ja unterhalten, und sie verlangen weit mehr als
Erwachsene: Mit billigen Filmen oder interaktiven Spielchen ist es
dabei nicht getan.
Ehrlich gesagt« – Svengali hob das Glas und gab der
Bedienung einen Wink – »sind die ganz schön
anstrengend. Gar nicht zu reden von den so genannten
Erwachsenen.«
Frank stellte sein Glas ab. »Die Revue, dieses verdammte
Kabarett, das mich mit Einladungen überschwemmt – haben Sie
irgendwas damit zu tun?«
Svengali wirkte genervt. »Machen Sie nicht mich dafür
verantwortlich. Teil der offiziellen
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