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Supernova

Supernova

Titel: Supernova Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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ganzen Planeten. Die Büros
einzelner Niederlassungen waren während der
Säuberungsaktion vom Netz abgehängt und isoliert worden.
Draußen auf dem Lande hatten Truppen der Ordnungsmacht die
Türen von Scotts Harem eingedrückt, seinen Marionetten die
Stammgehirne entnommen und sie zur Bearbeitung abgeliefert. Wohl
gemerkt nur solche Gehirne, die nicht sofort so eingestuft worden
waren, dass bei ihnen der Aufwand nicht lohnte. Das gehörte
alles zu dem schmutzigen Geschäft, einen hoch stehenden
Übermenschen zu stürzen, der strafbarer Handlungen
angeklagt war, und Hoechst hasste ihn dafür. Hasste ihn
dafür, dass er sie zwang, einen Übermenschen, der einer ihm
zugewiesenen Rolle nicht gerecht geworden war, öffentlich
bloß zu stellen. Aber in Wirklichkeit hatte sie keine
Alternative. Wäre sie nicht sofort gegen ihn vorgegangen,
hätte er sich womöglich noch ermutigt gefühlt. Oder,
noch schlimmer, sie hätte vielleicht ihre eigenen Leute dem
Vorwurf der Unzulänglichkeit ausgesetzt. Und, langfristig
gesehen, hätte damit die Gefahr bestanden, das große Ziel
dieser Menschen zu untergraben.
    Soldaten, die an diesem Tag zur Tarnung in sandfarbenen
Innendienstuniformen steckten, schulterten die Gewehre und rissen die
Türen für sie auf, als sie durch diese Hochburg der
Verwaltung auf die zentralen Diensträume der Leitung zuging.
Ihre Leibwächter, deren Gesichter hinter den Masken nicht zu
erkennen waren, hielten mit ihr Schritt. Ihnen auf dem Fuße
folgten besorgte Stabsoffiziere, eifrig bemüht, ihr zu Diensten
zu sein. Es gab nur wenig Spuren von Schäden oder
Gewaltanwendung, denn U. Scotts Hochburg war als erste Stellung in
aller Heimlichkeit eingenommen worden. Eine bereits geplante
Verlegung von Schutzstaffeln ins Hauptquartier hatte Hoechst dazu
genutzt, ihre eigenen Sturmtruppen einzuschleusen. Von einigen
halbherzigen Verteidigern Scotts waren sie mit offenen Armen
empfangen worden, denn niemand hier vermutete, dass sein Todesurteil
von dem Oberabteilungssekretär des Planeten bereits
ausgesprochen war – mit einem knappen Befehl, der lediglich aus
drei Worten bestanden hatte.
    Im Zentrum des Gebäudes gab es eine Sicherheitszone, deren
Türen allerdings schon offen standen: Verräter hatten das
Sicherheitssystem manuell ausgetrickst. In trüber Stimmung
stapfte Hoechst die Treppe hinauf. Ganz oben lag eine Empore, die
Aussicht auf Scotts Kommandozentrale bot. Er war offenbar einer jener
Menschen, die nur aufblühten, wenn sie alles im Blick hatten,
wie ihr jetzt klar wurde – als könne er keiner Sache
trauen, die sich außerhalb seiner unmittelbaren Wahrnehmung
abspielte. Der Eingang zur Empore war mit bereits trocknenden
Blutklümpchen übersät, die bei der Notbeleuchtung
deutlich als braune Flecken zu erkennen waren und scharf rochen. Ihre
Leibwächter blieben rechts und links abwartend stehen. In der
Mitte des Stockwerks wartete ein seltsames Triumvirat auf sie: Im
großen Sessel saß U. Vannevar Scott
höchstpersönlich, aller Lebensgeister beraubt, in Fesseln
gelegt und mit schlaffen Gliedern, sein Gesicht eine einzige Maske
der Anklage. Rechts und links hinter ihm standen S. Frazier Bayreuth
und eine weitere Person, eine Frau, die Gewand und Schleier des
Ordens der Wiederverwerter trug.
    »Vannevar, mein Lieber. Eine Schande, dass wir uns unter so
unglücklichen Umständen wieder begegnen müssen.«
Hoechst bedachte den Mann im Stuhl mit einem Lächeln. Seine
Augen folgten ihr langsam, kaum in der Lage, sich zu bewegen.
»Und das gilt auch für Sie, Bayreuth. Und mit wem habe ich
sonst noch das Vergnügen?«
    Die fremde Frau neigte den Kopf. »U. Doranna Mengele, Eure
Exzellenz. Anwesend auf Befehl des Oberabteilungssekretärs, um
bei den Prozeduren hier als Zeugin zu wirken und sicherzustellen,
dass alles nach den bewährten Praktiken und Traditionen der
Aufklärung durchgeführt wird.«
    Der Körper im Stuhl wirkte erregt. Hoechst beugte sich nahe
über ihn. »Sie sollten sich entspannen, Van. Kämpfen
nützt nichts. Diese Nerven werden nicht wieder nachwachsen,
wissen Sie.« Ihr Image verlangte solche Worte, aber innerlich
schrie etwas in ihr auf: Du blöder Mistkerl, den ich nicht
eingeplant hatte! Was, im Namen des toten Gottes, hast du dir dabei
gedacht? »Wir fuhren lediglich Befehle aus.«
    Sie sah Bayreuth an. »Haben Sie etwas, das ihn wieder
aktivieren kann?«
    Er wandte sich um und bedeutete einem Wächter,
herüberzukommen. »Aktivieren Sie den hier wieder, wie die
Inspektorin

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