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Supernova

Supernova

Titel: Supernova Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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Adiposezellen voll der verrücktesten
organischen Chemie, die man sich vorstellen konnte, brodelten unter
seiner Haut. Ständig versuchte er, bessere Liposome für
seine schmierigen Experimente zu erzeugen. Behauptete, das halte ihn
warm. Demnächst würde ihm bestimmt jemand Feuer für
seinen Joint geben – und dann würde er abgehen wie eine
dieser alten Kamikaze-Raketen. »Hast du Fi gesehen?«
    »Fi? Hab keine Lust, mit Fiona herumzuhängen, die ist
langweilig.«
    Zum ersten Mal fasste Wednesday das Schweinchen genauer ins Auge.
Seine Pupillen waren auf Stecknadelgröße geschrumpft, und
er atmete schwer. »Auf was bist du drauf?«
    »Auf Dämpfern. Hab ein nettes kleines hydroxyliertes
Triterpenoid eingeworfen, um die gute alte Dehydrierung aufgrund von
Alkohol abzuschwächen. Ist ein Selbstexperiment, bei dem ich was
über die Wirkung von Bier und den anschließenden Kater
lerne. Was hast du denn dabei?« Als er so tat, als wollte er sie
am Ärmel packen, wich sie ihm elegant aus.
    »Mich selbst«, erwiderte sie, während sie sich ihr
Urteil über ihn bildete. Im nüchternen Zustand mochte
Schweinchen ja gerade noch so hingehen, aber betrunken war er
jenseits von gut und böse. »Nur mein wunderbares Selbst,
Dickerchen. Wo steckt Fi?«
    Schweinchen grunzte und nahm einen großen Schluck Bier.
Dabei schwankte er so, dass er sich das Kinn versabberte.
»Drüben, im nächsten Abschnitt.« Grunz.
»Hatte nen schlechten Tag, hab heut Morgen zu heftig
nachgedacht. Bin ich schon hinüber?«
    Sie starrte ihn an. »Was ist die Kubikwurzel aus
2362?«
    »Mhm… 6,9… 6,97… 6,971…«
    Sie ließ Schweinchen stehen, der sich, benebelt wie er war,
aus der ihm gestellten mathematischen Falle zu befreien bemühte,
indem er sich in Newton’schen Annäherungen versuchte. Als
bleiches Gespenst in raffinierten schwarzen Lumpen schwebte sie
weiter durch die Nacht, wobei ihre ausgefallene Kleidung eine Hommage
an längst vergessene Totenkulte jugendlicher Gruftis darstellte.
Sie überwand sich so weit, Schweinchen im milderen Licht zu
sehen, ließ sich sogar dazu herab, ihm herzliche Gefühle
entgegenzubringen. Im Vergleich zu Schweinchen, der sich in
Selbsterniedrigung suhlte, kam sie sich selbst mit ihrem
introvertierten Ich und dem Mangel an Sozialisation nicht mehr ganz
so entwicklungsgehemmt vor. Die Welt wimmelte von Verrückten und
Vertriebenen. Das Treibhaus Septagon, das mit aller Gewalt brillante
Köpfe heranzüchten wollte, brachte allem zum Trotz viele
kluge Außenseiter hervor. Mochte auch keiner dieser
Außenseiter, für sich betrachtet, in diese Gesellschaft
hineinpassen: Gemeinsam bildeten sie ein interessantes Mosaik.
    Im nächsten Abschnitt tanzten Jugendliche zu beschleunigter
Dudelsackmusik, die durch dröhnendes Feedback verstärkt
wurde. Irgendein Freak, der auf Maschinenrhythmus stand, hatte sich
selbst in Trance versetzt, indem er ständig auf einen Rost mit
Sensoren einschlug, um hämmernden Beat zu erzeugen. Die Leute
hier waren älter, mindestens achtzehn oder neunzehn, manche auch
Anfang zwanzig, alle schon in den Abschlussklassen der Oberschule.
Anders als bei schulischen Tanzveranstaltungen gab es hier nur
wenige, die blind jede Mode mitmachten, dafür umso kühnere
Extreme. Die meisten hatten sich so herausgeputzt (besser gesagt: es
bewusst unterlassen), als hätten sie sich an diesem Morgen die
erstbesten Klamotten geschnappt, die in Bettnähe lagen. Eine
Ausnahme bildeten ein, zwei Leute, die übertriebene
Selbstdarstellungen bevorzugt hatten. Ein nackter, unbehaarter Junge,
dessen Schritt jede Menge verchromter rasselnder Kettenglieder
zierten, tanzte Wange an Wange mit einem langhaarigen Jungen in lose
fallendem rotem Gewand, das den Blick auf seine gepiercten,
geschwollenen Brustwarzen freigab. Ein Teenager im extremen
Fetisch-Outfit hüpfte vorbei; unter ihrem transparenten
bodenlangen Kleid waren deutlich das Wespentaillen-Korsett, der
Lederknebel und die Ketten um Handgelenke und Knöchel zu
erkennen. Wednesday achtete nicht auf diejenigen, die ihrem
Exhibitionismus auf extreme Weise frönten: Im Grunde waren es
langweilige, geltungssüchtige Typen, die das Gefühl
brauchten, begehrt zu werden, und viel zu viel forderten, als dass
sie gute Partner fürs Bett abgegeben hätten.
    Nach Gesellschaft Ausschau haltend, die ihr wirklich zusagte,
machte sie sich auf den Weg nach hinten. Fiona saß auf einer
ausrangierten Füllhornkiste. Sie trug schwarze Leggings und ein
T-Shirt, das mit dem

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