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Supernova

Supernova

Titel: Supernova Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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ihr lag ein Satz von Ringen. Und daneben
hatte jemand fürsorglich eine Kaffeekanne mit Aufheizmechanismus
gestellt.
    »Was soll das denn, verdammt noch mal?« Sie
schüttelte den Kopf und zog innerlich Bilanz. Was für
ein Typ! Kurz hatte sie das schmerzliche Gefühl, eine Chance
vertan zu haben. Jemand, der sich während einer Party Zeit
für eine Rückenmassage nahm, und das, nachdem sie
miteinander geschlafen hatten und sie ein Gespräch verweigert
hatte – so jemand war es schon wert, dass man sich näher
mit ihm befasste. Aber er hatte ein Set von Ringen dagelassen.
Verwirrt griff sie danach. Sie sahen so aus, als könnten sie
passen. Immer noch verwirrt, schaltete sie die Wärmetaste der
Kaffeekanne ein, streifte ihre eigenen Ringe ab, die neuen über
und aktivierte sie. Eigentlich hatte sie eher eine Fehlermeldung
erwartet - unbekannter Benutzer, kein Zugang –, doch es
war ein klangvoller Akkord zu hören und leichter Rosenduft zu
spüren: Die Ringe stellten jetzt die Verbindung zu Wednesdays
Implantaten her und erkannten sie als ihre rechtmäßige
Besitzerin an. Jetzt war ihre Identität in jeder Hinsicht
beglaubigt, und sie hatte Zugang zu einer Menge Informationen, die
sich gerade von einem öffentlichen Server irgendwo da
draußen herunterluden. »Meine Güte! He, Voice Mail:
Ist irgendwas von Hermann eingegangen?«
    »Kommt sofort. Sie haben eine nicht-interaktive Nachricht. Hallo, Wednesday, hier ist Hermann. Ich habe folgende Anweisungen
für dich: Geh nicht nach Hause, sondern zum Transit-Terminal B.
Dort wartet ein Ticket auf dich, für dich gebucht von
Gymnasiallehrer David Larsen, damit du an einem schulischen
Arbeitsvermittlungsprojekt teilnehmen kannst. Hol das Ticket ab und
verlasse dieses Habitat unverzüglich. Behalte die neuen Ringe,
sie sind auf dich eingestellt und so programmiert, dass sie über
eine anonyme Quelle Geld an dich transferieren werden. Deine Spur
kann niemand verfolgen, wenn du diese Ringe benutzt. Zu
gegebener Zeit werde ich erneut Verbindung mit dir aufnehmen. Ich
möchte nochmals betonen, dass du auf keinen Fall nach Hause
gehen darfst.« Klick.
    Verblüfft starrte sie auf die Ringe. »Hermann?« Sie
biss sich auf die Unterlippe. »Hermann?« Geh nicht nach
Hause. Ihr lief ein so kalter Schauer über den Rücken,
dass sie Gänsehaut bekam. Oh, Scheiße. Sie begann
in ihrem Kleiderhaufen zu wühlen. »Hermann…«
    Ihre unsichtbaren Agenten – die Software-Gespenster, die
hinter den Kontrollringen, den Implantaten und dem ganzen Komplex
elektronischer Identität steckten, die Wednesday im Netzwerk
Septagons erst zur Person machten – gaben keine Antwort.
Sie zog ihre Leggings und Stiefel an, schlüpfte in ihr seidenes
Gespinst von Mieder und streckte ihrer Jacke die Ärmel hin. Den
Sarong stopfte sie fürs Erste in eine Tasche. Fahrig und
nervös vor Sorge, im Mund den schalen Geschmack von Asche, weil
der Kaffee zu lange gekocht hatte, taumelte sie aus dem Separee und
am Rand der Tanzfläche entlang. Miss Lederknebel hatte sich
ihres Knebels entledigt, saß jetzt rittlings auf dem
Schoß von Mister Latex, ließ sich hart und schnell von
ihm bumsen und die Allgemeinheit daran teilhaben, indem sie lauthals
brüllte. Exhibitionisten. Wednesday gönnte es sich
kurz, im Vorübergehen die Nase zu rümpfen. Sie
schlüpfte an der Bar vorbei, bog um die Ecke und trat auf einen
Gang, um gleich darauf den erstbesten Fahrstuhl zu nehmen. Sie hatte
ein ungutes Gefühl, und es wurde immer heftiger, je weiter sie
ging. Sie fühlte sich schmutzig und müde, außerdem
tat ihr alles weh. Was ihr sonst noch zu schaffen machte, war der
Anflug eines schlechten Gewissens: Hätte sie vielleicht doch zu
Hause anrufen sollen, um jemanden zu warnen? Wen? Mom oder Dad?
Würden sie nicht annehmen, dass sie…
    »Verdammte Scheiße.« Sie blieb wie angewurzelt
stehen und bog gleich darauf mit klopfendem Herzen und feuchten
Händen von der Durchgangsstraße ab.
    Der Gang, der zu ihr nach Hause führte, war völlig
blockiert. Wie eine auffällige Narbe leuchtete quer darüber
das gespenstische Blau des Absperrungsbandes der Polizei. Polizisten
in voller Raum-Montur standen neben einem Tieflader, an dessen Seiten
grüne und orangefarbene Warnlämpchen blinkten, und schoben
eine mobile Luftschleuse auf den gesperrten Eingang zu.
    »O Scheiße o Scheiße o Scheiße…«
Die Sekunden rannen ihr wie Fett durch die Finger. Sie bog nochmals
um eine Ecke, machte die Augen auf und sah sich nach einem

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