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Supernova

Supernova

Titel: Supernova Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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toten
Winkel um. Die verdammten Bone-Schwestern… Aber nein, mit
dem hier konnten sie wohl kaum etwas zu tun haben, oder? Die
Spielchen der Schwesternschaft verlangten nach einem subalternen
Zeugen, nach einem Überlebenden. Das hier war die Tat von Yurg (»der wird nich glücklich darüber sein«), waren die Schritte von Fremden, deren Stiefel hinter ihr in der
kalten, feuchten Dunkelheit widerhallten. Das hier war Hermann, der
sich zum ersten Mal nach Jahren wieder gemeldet hatte.
    Als sie einen Winkel fand, blieb sie stehen, um auf die Punkte zu
drücken, die sie mit so viel Zeitaufwand in ihrer Jacke
installiert hatte. Sofort legte sich die Jacke so eng wie ein Korsett
um ihre Rippen. Als Nächstes griff sie nach hinten und zog sich
die Kapuze über den Kopf. Die Leggings gehörten ebenfalls
zu diesem Outfit. Sie schob sie hoch und zog danach den fast
flüssigen Saum der Beine über die Stiefel – ihre
schönen, unnützen, hochhackigen, zugeschnürten,
luftdurchlässigen Stiefel. »Füll dich mit Druck«,
sagte sie. Und einen Augenblick später: »Verblasse.«
Die Jacke rieb sich an ihren Schulterblättern, um sie wissen zu
lassen, dass sie tätig war. Gleich darauf wurde die dunkle
Kapuze über ihrem Gesicht transparent. Nur das Zischen ihres
Atems erinnerte sie daran, dass jetzt nichts mehr zu ihr durchdringen
konnte, dass sie hermetisch von der Außenwelt abgeschlossen war
und so lange unsichtbar, wie sie sich an die blinden Flecken der
Bone-Sisters hielt.
    Ein Stockwerk höher und zwei Eingänge weiter befand sich
ein Versorgungstunnel. Sie schlich sich an den Transportwagen vorbei,
versuchte, auf dem harten Metallboden keinen Lärm zu machen, und
rechnete dabei aus, wie weit es noch bis zu der Tür war,
die…
    »Verdammte Scheiße!« Die Tür war von der
Polizei versiegelt, wie ihr das gebieterisch flackernde Blaulicht am
Türgriff verriet. Darunter zeigte ein Lämpchen stetes Rot:
GASFALLE. Vor Panik und Klaustrophobie hätte Wednesday fast den
Kopf verloren. »Wo, zum Teufel, ist meine Familie?« Sie
aktivierte ihre Ringe und rief zu Hause an. »Dad? Mom? Seid ihr
da?«
    »Wer ist da?«, meldete sich eine unbekannte Stimme.
    Sofort brach sie die Verbindung ab und lehnte sich gegen die Wand.
»Verdammt. Verdammt!« Am liebsten hätte sie
losgeheult. Wo steckt ihr? Sie fürchtete, dass sie es
sehr wohl wusste. »Ringe, gebt mir die Schlagzeilen!« Plötzlicher Druckabfall trifft Wohngebiet im grünen
Sektor, Ebene 1.24. Sechs Tote, acht Verletzte. »Nein!«
Die Wände verschwammen vor ihren Augen. Sie keuchte auf und rieb
sich durch den Stoff ihrer smarten Kapuze die Augen.
    Die Tür war versiegelt, aber die untere Verkleidung ragte
rund zehn Zentimeter hervor: eine Druckausgleichschleuse für
Notsituationen. Sie kniete sich nieder, zerrte an dem roten Griff und
trat einen Schritt zurück, als sich die Schleuse aufblähte
und so weit entfaltete, dass sie fast den halben Gang einnahm.
Wednesday fummelte mit den Handschuhen an den vage vertrauten
Verschlussklappen herum, zog die Schleuse halb auf und kroch hinein.
Inzwischen war sie jenseits aller Panik, da war nur diese schrille
Stimme in ihrem Hinterkopf, die ständig neinneinneinneinnein schrie und an ihrer Stelle weinte, während sie selbst das
tat, was zu tun war. Sie wälzte sich auf den Rücken, zog
die untere Türverkleidung zu, bahnte sich, um sich tretend, den
Weg in den gesperrten Abschnitt jenseits der Tür und stieß
mit dem Finger gegen dessen Druckanzeige. »Das kann doch nicht
wahr sein«, sagte irgendjemand. Der Druck da draußen
zeigte fünfzig Millibar an – noch nicht das Vakuum, aber so
nahe dran, dass es keinen Unterschied machte. Selbst reiner
Sauerstoff würde einen Menschen bei solchen Werten nicht am
Leben halten. »Wenn Sie da drinnen sind und die
Versorgungssysteme des Hauses eingeschaltet haben, sind Sie in
Sicherheit, bis die Polizei zu Ihnen vordringt«, teilte die
Stimme ihr gelassen mit. »Aber falls diese üblen Typen die
Reserven des Hauses angezapft und den Druck über Nacht gesenkt
haben, sind sie tot. In jedem Fall kannst du nichts für sie tun.
Und diese Typen hatten vor, zu Hause auf dich zu warten.« Aberaberaber…
    Ihre Finger summten, die Ringe meldeten sich. Sie hielt sie sich
an den Kopf. »Ich hatte dir doch gesagt, dass du nicht nach
Hause gehen sollst.« Hermann. »Die Polizei hat ein Versagen
der Abdichtungen gegen das Vakuum festgestellt. Du hast maximal drei
Minuten, diesen Bereich zu verlassen. Die

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