Susan Price
harten Treffer auf den Helm einstecken musste. Er ging in die Knie, aber wäre es Wodens Versprechen gewesen, dann wäre sein Schädel gespalten worden.
Erneut drehte sich Elfling und wehrte die Angriffe derer ab, die hinter ihn gerannt waren, sprang über einen Hieb auf seine Beine hinweg, hackte auf den Hals eines Mannes ein, schlug einen weiteren mit Treffern auf den Schild zurück. Die Waliser ließen sich zurückfallen und blickten zu Unwin.
»Ein Mann!«, rief Unwin. »Nackt! Praktisch waffenlos!« Es fiel seinen Männern aber auf, dass er selbst kein großes Interesse zeigte, sich mit der Geschwindigkeit und Stärke des Teufels zu messen. Die Waliser wichen zurück und ließen Elfling in der Mitte des Gräberfeldes stehen.
Um das Gräberfeld herum hatten sich die Überlebenden von Julsburg versammelt und wurden von Walisern oder Dänen bewacht. Aufrecht standen die Sachsen da und starrten ihre Feinde an, denn sie sahen ihren König mit dem Schwert in der Hand und unbesiegt. Die Dänen, die keine Christen waren, sahen zwischen den Gräbern einen nackten, langhaarigen jungen Mann stehen, der einer der Auserwählten Odins sein könnte oder der Gefährte einer Walküre. Sie schauten zu den Walisern hinüber.
Ingvi rannte die Mauerkrone entlang, entdeckte Ingvald und sprang neben ihm hinunter. Ingvald stand mit verschränkten Armen da und blickte zornig über die Gräber zu Elfling. Ingvi sagte sich, dass Ingvald sich genauso schämte wie er selbst, nicht am Kampf teilnehmen zu können. Er sagte sich auch, dass Ingvald genau wie er selbst nur widerwillig für Unwin kämpfen würde.
Ud griff sich seine Harfe von Ebba und ging über die Gräber zu Unwin. »Ich habe ein Lied für den Elfenjüngling«, sagte er.
Unwin schaute ihn überrascht an, doch Ud spielte bereits die ersten Noten auf seiner Harfe. Flöte und Trommel waren unter dem dunklen, weiten Himmel kaum zu hören gewesen, doch jeder Ton von den Saiten dieser Harfe klang so laut, so klar und so eindringlich, als ob er in einem Raum gespielt würde.
Die Töne durchbohrten Elfling wie eisige Pfeile, und der Notenlauf der Harfe wogte schaudernd durch seinen Körper. Der heftige Kampf hatte ihn daran gehindert, die Kälte zu spüren, doch nun schien ihn die Musik mit eiskaltem Wasser zu übergießen. Der Frost der Winternacht biss sich in seine Haut; das Schwert war wie Blei in seiner Hand.
»Der Becher der eisigen Nacht, mit Winterregen gefüllt,
Vor Eis flüchtend fließt der Gebirgsbach die Schnellen hinab,
Unter deinen Füßen liegen die Leichen in der kühlen Umarmung der Erde …«
Elfling schüttelte kräftig den Kopf und veränderte seine Schwerthaltung, um die Muskelkraft seines Arms zu bündeln. Er riss sich herum, bereit, jeden abzuwehren, der ihn von hinten angriff. Seine Bewegungen schienen eine dünne Schicht Eis zu zerbrechen, die sich um ihn gelegt hatte. Er war wieder frei, wie der Tau im Frühling.
Die Harfe schlug kalte Akkorde an.
»Ich fessle dich mit der Eisrune!
Kalter Edelstein, schmerzvoll im Griff.
Ich fessle dich mit der Hagelrune!
Kältestes Korn, Vernichter des Korns –«
Erneut schlich sich Kälte in Elflings Adern. Bis ins Mark ließ sie ihn frieren, seine Arme und Beine schwer wie Blei werden, und beugte sein Haupt. Er sammelte all seine Kraft und schlug mit dem Schwert nach dem Zauberer und seiner Harfe. Der Zauberer, der Graubart, sprang geschickt zurück und lachte.
»Ich fessle dich, ich, der ich die Macht habe!
Mit der Grabrune fessle ich dich!
Hör mir gut zu!
Ein kalter Regen wird fallen –«
Bittere Kälte trieb das Blut aus den Fingern, bis sie steif wurden und blauweiß anliefen, regungslosem Marmor ähnelnd. Elfling kämpfte mit all seiner Kraft und setzte Fuß um Fuß vorwärts, um den Zauberer zu erreichen. Niemand sonst bedrohte ihn mehr.
»Schnee wird fallen, dein Grab bedecken;
Tau wird durch dich fließen, endlos wie die Zeit!«
Elflings Schwertspitze senkte sich. Sein Arm versagte ihm den Dienst. Er konnte seinen Kopf nicht mehr heben, um zu sehen, wo der Zauberer stand.
»Ich fessle dich mit der Grabrune!
Starr sei dein kalter Leichnam.«
Elfling brachte die Zähne nicht mehr auseinander. Er versuchte, sich zu bewegen, stürzte aber zu Boden wie ein gefällter Baum.
Ud schaute sich um, und aus seinem fehlenden Auge verströmte Dunkelheit. »Ihr braucht keine Angst mehr vor ihm zu haben. Wo Schwerter und Speere nicht obsiegen konnten, hat der Zauber der Harfe
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