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Susan Price

Susan Price

Titel: Susan Price Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Elfling Saga
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noch nicht steif geworden war, und zog ihn lang. Er hob die Axt und schlug auf das Handgelenk.
    Godwin zuckte zusammen und wich einen Schritt zurück. Kendidra bedeckte ihr Gesicht mit einem Schrei. Wulfweard schaute ungläubig zu, als die Axt ein zweites Mal herabsauste, bevor er rief: »Hör damit auf!« und nach vorne sprang. Die Wachen rangen mit ihm.
    Unwin schaute nur kurz hoch und sagte: »Bringt ihn zum Saal zurück. Bringt sie alle zum Saal zurück.«
    Wulfweard wollte Unwin die Axt entreißen und ihn damit niederschlagen. Dass ihn Fremde, Waliser, von einem Streit mit seinem Bruder zurückhielten, erzürnte ihn, aber obwohl er einen abwehrte und sich fast von einem zweiten befreien konnte, konnte er doch nicht gegen alle kämpfen. Man brachte ihn weg.
    Kendidra hatte es eilig, den Wachen zu folgen. Sie hatte die Hände vor die Augen geschlagen, aber dennoch hatte sie die Metzelei hören können, als die Axt auf Knochen hackte. Sie schämte sich zutiefst, als sie den Weg zur Burg zurücklief, ihren Kopf gesenkt hielt und bei jedem Ruf der Wachen zusammenzuckte. Aber ihre Kinder waren in der Burg, und welchen Sinn hatte es schon, heldenhaft zu sterben? Sie schaute zu ihren Mitgefangenen und hatte genauso viel Angst um sie wie um sich selbst. Könnte sie etwas sagen, was die Menschen vor Schaden bewahrte, oder würde das nur Unwins Zorn auf sie herabbeschwören? Oder, noch schlimmer, auf ihre Kinder?
    Es kam ihr der Gedanke, wie sehr sie sich alle auf die Zeit des Julfriedens gefreut und wie viel Vertrauen sie in Elfling gehabt hatten. Und wie vollständig Unwin beides zerstört hatte.
    Ein Gefühl der Hilflosigkeit, wie ein Fall aus großer Höhe. Obwohl Elflings Muskeln zuckten und sprangen, gehorchten sie ihm nicht, und er wurde wie eine Strohpuppe getragen. Er kannte den Bann der Musik, die ihn besiegt hatte: Er kannte die Musik Freyas. Der Tag seines Todes und die Art seines Sterbens waren bereits vor langer Zeit bestimmt worden. Sie hatte ihn in die Hände Unwins gegeben, und er kannte den Schwur, den Unwin geleistet hatte. Er kannte seinen Tod.
    Er bot seine ganze Kraft auf, strengte seinen Willen an, um sich zu befreien, doch je mehr er sich wehrte, umso enger schlang sich das magische Netz um ihn, umso kälter und schwerer wurde sein Leib. Sein Wille glich einem Leichnam in seinem Grab: gefangen in kalter Erde.
    Ud mit der Harfe schob die Türflügel des königlichen Saales auf. Auf den langen Tischen stand noch reichlich Essen, die Feuer knisterten immer noch vor sich hin; die Kerzen brannten noch, aber die Menschen waren verschwunden.
    Aus dem Dunkel über ihnen ertönte das Zwitschern schläfriger Vögel, während der Feuerschein hell aufflammte und die Schatten sich näherdrängten. Die großen Holzsäulen, die Dachbäume, tauchten kurz aus der undurchdringlichen Schwärze auf, als das Licht um ihren Stamm glitt, nur um wieder in Finsternis zu versinken, als es erlosch.
    Das Podest des Ehrentischs wurde auf beiden Seiten von den Dachbäumen umrahmt. Mit einem Nicken deutete Ud den Männern, Elfling zu dem linken Dachbaum zu bringen, und es war Ud, der Elflings Hände über seinem Kopf an den Baum fesselte. Das Seil hielt ihn aufrecht – seine Beine konnten es nicht mehr. Er konnte nicht einmal seinen Kopf hochhalten, der trotz seiner Anstrengungen immer wieder nach vorne fiel, schwer wie Blei.
    Jemand war bei ihm, wischte ihn mit einem Tuch ab, das nach Erde und Regen roch. Grobe Hände packten sein Kinn und hoben seinen Kopf gegen seinen Willen hoch. Eine Männerstimme fragte: »Kennst du mich?« Der Duft, der über sein Gesicht strich, roch nach Erde.
    Elflings Augen öffneten sich mühsam, als ob sie gegen die Müdigkeit von Jahrhunderten anzukämpfen hätten. Verschwommen erkannte er Kerzenlicht und Dunkelheit und, nah bei ihm, das Leuchten und die Bewegung eines lebenden Auges und die tiefe, unbeleuchtete Finsternis eines Ortes, an dem einst ein Auge war. Er versuchte, den Namen des Einäugigen auszusprechen, doch seine Lippen konnten das Wort nicht formen.
    »Bist du bereit für die Reise?«, fragte der Einäugige. »Es ist ein harter Weg, aber du hast ihn gewählt, als du mir Wulfweard nahmst. Und am Ende des Weges werde ich auf dich warten.«
    Elfling versuchte, tief einzuatmen, doch die Macht der Grabrune umfing ihn. Ebba stand neben ihm und sah, wie sich seine Augen weiteten, vielleicht vor Angst, und sie das Licht wie grünes Glas spiegelten.
    Meine Gebete wurden erhört, dachte Ebba

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