Susan Price
seiner Garde, aber … Obgleich er noch nie einen König gesehen hatte, kam ihm der Gedanke, dass diese so vortrefflich berittene und bewaffnete Leibgarde einem König gehören musste.
Aber was wollten sie hier? Bei diesem Gedanken lief es ihm kalt über den Rücken. Nein, gewiss machte er sich unnötig Sorgen, versuchte er sich einzureden. Es war sicher nur jemand, der herkam, um sich heilen zu lassen – wie auch er –, ein reicher Mann oder eine reiche Edelfrau, sicherheitshalber von einer starken Leibgarde begleitet. Aber es beschlich ihn ein ungutes Gefühl. Die Art, wie diese Männer ritten und wie sie aus dem Schatten unter dem Helm umherblickten, machte ihm Angst. Die Knechte waren eilends vom Feld hergekommen, nachdem er sie hatte rufen lassen. Sie hatten Werkzeuge als Waffen: Äxte und Sicheln. Seine Männer waren etwas besser bewaffnet. Aber diese Reiter, die näher kamen … Es bedurfte mehr als ein paar großer Kerle mit unhandlichen Schwertern und ein paar Knechten mit Werkzeug, um mit denen fertig zu werden. Seine Gedanken gingen zu Aldgytha … Wie konnte er sie in Sicherheit bringen?
Als die Reiter näher kamen, konnten sie über die Hecke in den Hof hineinschauen. Das Pferd an der Spitze stieß Morcar beiseite und trabte in den Hof. Das Gesinde lief sofort auseinander, um ihm Platz zu machen. Einige duckten sich in den fragwürdigen Schutz der niedrigen Außengebäude. Morcar erblickte Aldgytha in der Tür des Hauses und gab ihr ein Zeichen wegzulaufen, damit man sie nicht mehr sah.
Der Führer der Reiterschar trug einen Helm, welcher seinen Kopf vollständig mit glänzendem Metall bedeckte. Eine brünierte Maske verbarg das Gesicht bis auf den Kinnbart. Dicke silberne Brauen überschatteten die Augen, ein goldener Schnurrbart hing über einem goldenen, grimmigen Mund. Ein zähnefletschender Drache mit gekrümmtem Rücken und Rubinaugen zierte den Helmkamm. In den tiefen Schatten der Augenhöhlen sah man gelegentlich das Glitzern der Augen, ansonsten blieb das Gesicht des Mannes verborgen. Es war unmöglich festzustellen, ob er einen anschaute oder welchen Gesichtsausdruck er trug. Die Kälte, die Morcar über den Rücken gelaufen war, verwandelte sich in einen Magenkrampf.
Hunting, hoch zu Ross, blickte durch die Helmschlitze auf den Haufen schmuddeliger kleiner Hütten, in denen er nicht einmal seine Hunde halten würde. Und das Wesen, das hier lebte, behauptete, sein Halbbruder zu sein? Die niedrige Dornenhecke war für Hunting fast eine Beleidigung, da sie für ihn den Anschein erweckte, man würde ihm zutrauen, diesen Misthaufen ernsthaft angreifen, wollen, oder dass sie ihn vom Eindringen abhalten könnte.
Neben dem Eingangstor stand ein Mann, der sich von den Menschen, die im Hof auseinandergelaufen waren, unterschied. Ein großer Mann mit Kleidung aus gutem, glattem Tuch, wenngleich ein wenig in Unordnung. Der Mann trug eine Goldkette um den Hals und Ringe an den Fingern.
Die Maske wandte sich an ihn. »Wie heißt du?« Die Stimme hinter den goldenen Lippen klang unmenschlich und eisig.
»Morcar Sweynssen, Jarl.«
Die Augen hinter der Maske funkelten. Nach kurzer Pause sprach die hallende Stimme wieder. »Ein Däne.«
»Aus Northanhymbre, Jarl. Ich treibe Handel – in diesem Lande genieße ich den Schutz des Lehnsherrn Alnoth, Jarl.«
Die Maske schwieg längere Zeit und schien ihn nur anzustarren, doch genau wusste er das nicht. Das glatte Gold des Gesichtes schimmerte, die Silberbrauen waren zusammengezogen, der Drache mit den Rubinaugen fletschte die Zähne. Hinter der Maske überlegte Hunting. »Treibst du hier Handel?«
»Nein, Jarl, nein! Ich bin mit meiner Frau hergekommen, wegen ihrer Krankheit. Hier lebt ein Heiler.« Es war so frustrierend, so untertänig sein zu müssen und diese gleißende Maske anzustarren, die keinerlei Hinweis auf das Gesicht dahinter gab.
Hunting erwog, den Mann zu töten. Niemand würde sich einen Dreck darum scheren, wenn er das ganze Volk auf dem Hof über die Klinge springen ließ. Doch dieser Mann könnte Probleme bereiten, auch wenn er ein ausländischer Händler war. Wenn seine Verwandten erfuhren, wie er gestorben war, könnten sie sich bei diesem Lehnsherrn Alnoth beschweren, und dieser beim Ältestenrat und dem König … Doch wie sollten die Verwandten des Fremden je etwas erfahren, wenn er an diesem verlassenen Ort starb? Besser, keinen am Leben zu lassen.
»Wo ist der Elfengeborene?«, fragte Hunting.
Morcar blickte umher, ob
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