Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Susan Price

Susan Price

Titel: Susan Price Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Elfling Saga
Vom Netzwerk:
Tier, wie ein Schwein oder ein Pferd, das so abgerichtet war, dass es Fragen mit dem Klopfen des Hufs beantworten konnte. Diese Besucher hasste er; oft erschreckte es ihn, wie sehr er sie hasste. Da er größer als die meisten von ihnen war und auch stärker – Elfen waren angeblich viel stärker als normale Menschen –, war er durchaus imstande, ihnen körperlichen Schaden zuzufügen.
    Noch schlimmer waren die Besucher, die Kranke anschleppten. Es war eine Erleichterung, jemanden mit einem Fieber zu finden, das er herausziehen, oder mit einer Schnitt- oder Brandwunde, die er dazu bewegen konnte, sich selbst zu heilen. Allerdings waren diese Bemühungen oft anstrengender als die Arbeit auf dem Feld. Allzu oft brachten sie ihm jemanden, der bereits im Sterben lag: eine Frau mit bösartigen Geschwülsten in der Brust, ein Kind, dessen Krankheit schon zu weit fortgeschritten war, einen Mann, dessen vergiftetes Blut ihn erstickte. Elfling vermochte das Grau des Todes zu sehen, das in ihre Haut kroch, und die wachsende Dunkelheit in ihren Augen. Er konnte nicht verstehen, warum niemand sonst das sehen konnte. Aber sie konnten es nicht. Sie erwarteten dennoch, dass er ihr Kind, ihr Weib, ihren Freund rettete. Sie starrten ihn an, lehnten sich an ihn wie Spürhunde, und flehten ihn stumm an, ihnen diesen schlimmsten aller Verluste zu ersparen. Wenn er erklärte, dass man nichts tun könne, weigerten sie sich, ihm zu glauben. Sie flehten ihn an, beschimpften ihn, beteten zu ihm, als sei er ein Gott, boten ihm Geld, Dienste, Geschenke, Gefälligkeiten – und wenn er trotzdem erklärte, er könne nichts tun, erklärten sie ihn für nicht menschlich. »Elfengeborener« nannten sie ihn, anfangs lobend, staunend, sogar anbetend, doch zum Schluss beleidigten und verachteten sie ihn mit demselben Wort: »Elfengeborener«.
    Es war leichter, jemanden von vornherein abzuweisen. Jedoch wurde er dann den Gedanken nicht los, es hätte eine einfache Krankheit sein können, welche er hätte heilen und die Schmerzen hätte lindern, oder ein Leben, das er hätte retten können.
    Aber es waren nicht nur die Besucher. Jedes Mitglied seines Haushalts bedrängte ihn mit seinem alltäglichen Schmerz. Sie waren alle so traurig, und es gab kein Heilmittel gegen ihre Traurigkeit. Sogar ihre Hoffnungen, selbst die kleinen Vergnügungen, führten nur zu mehr Schmerzen – und das würde ewig so bleiben. Owen, der auch als alter Mann die Mägde betatschte und traurig war, weil sie ihm einen Korb gaben. Das stolze Kind, das zur Mutter rannte, um ihr das Ei zu zeigen, das es gefunden hatte, hinfiel und es in der Faust zerdrückte, worauf es ausgelacht und beschämt wurde. Und Hild und Ebba.
    Hild litt unter dem Gedanken, alt zu sein, und fürchtete um ihr Ansehen als erste Frau auf dem Hof. Sie sog ihre Kraft aus ihm und war ständig darauf bedacht, dass er sie stärkte und ihr die Zuneigung entgegenbrachte, welche allen verdeutlichte, dass sie – nach ihm – als Erste kam. Sie begriff nie, dass sie so handelte, als würde man vor einer Katze einen Strohhalm hin und her wedeln: Es irritierte ihn und weckte in ihm eine naturgegebene Grausamkeit, die sich – beinahe unfreiwillig – mit Klauen und Zähnen wehrte.
    Und was Ebba betraf: Sie war wie eine warme, lebende Maus, die über den Boden huschte. Die Katze konnte dem Drang nicht widerstehen, sich auf sie zu stürzen, zu kratzen und zu beißen. Das taten Katzen nun einmal, sobald sie sahen, dass etwas sich bewegte, und sie die Maus witterten. Er würde Ebba, die ihn anbetete, ihn einfältig anlächelte und sich alberne Hoffnungen machte, sehr wehtun. Das war das Schicksal von Mäusen, die sich in Katzen verliebten.
    In Wahrheit hegte er durchaus Gefühle für Hild und Ebba, aber gleichzeitig waren sie ihm auch völlig gleichgültig. Er liebte beide, und es tat ihm weh zu sehen, dass sie verletzt wurden. Er wollte ihnen Schmerzen ersparen. Aber er blickte durch sie hindurch und sah mit düsterer Klarheit, dass sie unwichtig waren. Ihre Schmerzen gingen unter in dem Morast von Schmerzen, der überall existierte – die Schmerzen der Hühner mit den gestutzten Flügeln im Hof, die gereizten, gezähmten Pferde auf der Weide, die Mäuse, die im Wald gejagt wurden, die Menschen in den Dörfern mit ihrem kurzen Leben. Ringsum, überall, gab es beinahe greifbar Hoffnung, welche nur zu Enttäuschungen führte, Freude, die immer in Verzweiflung, Angst, Schmerzen und Verlust endete. So unwichtig wie ein

Weitere Kostenlose Bücher