Susan Price
allem jemand, der angeblich blutsverwandt mit ihm war, so antriebslos sein und sich mit einer solch armseligen Behausung, in der man mit Dung heizte und mit Tieren zusammenlebte, zufriedengeben? Hinter ihm an der Wand rührte sich einer der Schlafenden und seufzte und stöhnte.
Wie konnte irgendein Mensch zufrieden sein, das ganze Leben hindurch derartig eintönige, farblose und grobfaserige Kleidung zu tragen? Das fragte Hunting sich. Wie konnten sie sich mit diesem Fraß zufriedengeben? Diesem ungesäuerten Schwarzbrot? Da hätten sie gleich Lehm kauen können. Oder diesem geschmacklosen Brei? Diese Menschen standen wirklich kaum über den Tieren, welche sie hüteten. Völlig ohne Rückgrat. Er hatte ihnen einen Gefallen erwiesen, ihre Existenz auszulöschen.
Und dann stieg der Freudenschrei über seinem Kopf in die Luft. Ihm war, als hätte man ihm mit einem Messer ins Fleisch geschnitten. Unwillkürlich sprang er auf und starrte nach oben. Sein Herz raste. Er vermochte nicht zu atmen.
Das Dach über seinem Kopf erbebte, das Stroh raschelte, die Balken, die es stützten, knarzten und knackten. Etwas trampelte von einem Ende des Daches zum anderen. Unmöglich. Aber er hatte es gehört. Wieder ein Schrei, noch einer, dann ein wildes Gelächter, das fast noch furchteinflößender als der Schrei war.
Wer von seinen Männern mit ihm im Haupthaus war, schrak ebenfalls hoch. Sie starrten ihn an, als wüsste er, was zu tun sei. Dann ertönte ein neuer Klang, einer, den sie kannten, der Schlachtruf, wenn Klinge auf Klinge traf.
Ebba wurde gegen die Hausmauer gedrückt, als der Mann neben ihr aufsprang. Aus Versehen trat er sie dabei. Als Ebba Feuerschein sah, zog sie schnell die Decke wieder über sich, die er beim Aufstehen hochgehoben hatte. Als sie den Schrei hörte, packten sie die Angst und der Schrecken der vergangenen Nacht erneut. Sie rollte sich zu einem Ball zusammen und hielt den Atem an, während ihr Herz laut pochte.
Alle Männer Huntings, denen es erlaubt gewesen war zu schlafen, zogen eilig Brünnen über, stülpten sich Helme auf, ergriffen Speere und gürteten sich mit Schwertern. Hunting zitterte am ganzen Leib. Wie Wellen durchrann es seinen Körper. Sein Herz schlug laut und hart. Beim nächsten Schrei zitterte er noch stärker, doch zugleich verspürte er das dringende Verlangen, hinauszulaufen und sich in den Kampf zu stürzen. Aber die Angst, die ihm in die Magengrube fuhr, schwächte ihn so, dass er sich beinahe in die Hose gemacht hätte. Er stürzte von einer Empfindung in die nächste und war unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen.
Weitere Schreie von oben ließen die Herzen der Männer erzittern und bohrten sich in ihre Köpfe. Der Klang rief sie zur Schlacht und legte ihnen gleichzeitig schreckliche Fesseln panikartiger Angst an, welche die Gliedmaßen lähmten und die Augen blendeten.
Beim nächsten Schrei stürmten Huntings Männer, ohne auf Befehle zu warten, auf den Hof. Etliche ließen die Panzerhemden zurück, die sie noch nicht angelegt hatten.
Am Hoftor wartete Elfling, einen Pfeil auf der Bogensehne. Die Schreie der Walküre hatten ihn so erregt, dass er jeden Schlag seines Herzens spürte, jede Bewegung seines Haars fühlte. Plötzlich sah und hörte er alles ringsum mit durchdringender Klarheit. Als der erste Mann in voller Bewaffnung auf den Hof stürmte, hob Elfling den Bogen, ohne zu denken. Er spürte, wie seine Muskeln durch die Bewegungen des Ziehens glitten. Er stemmte sich gegen den Bogen und streckte die Finger aus. Seine Fingerspitzen strichen über die Wange, als er den Arm zurücknahm – und der Pfeil flog ins Gesicht des Mannes, riss ihm die Lippen auf, schlug etliche Zähne ein und blieb in der Kehle stecken. Hustend sank er auf die Knie, bereits halb tot.
Als Elfling den nächsten Pfeil aus dem Köcher holen wollte, ließ die Walküre vom Hausdach ihren Speer durch die Luft fliegen. Es war ein Kriegsspeer, mit Widerhaken, sodass man ihn nur mühsam aus dem Körper ziehen konnte. Der Mann, den sie sich als Ziel ausgesucht hatte, stürzte zu Boden. Der Speer hatte ihn von hinten bis in die Brust durchbohrt, mitten durchs Herz. Die anderen Männer, die auf den Hof liefen, erstarrten bei ihrem Triumphschrei. Wie gebannt blickten sie zu ihr hinauf. Elflings zweiter Pfeil erwischte einen am Hals und riss eine Arterie auf. Der Mann versuchte, den Blutstrahl abzupressen, doch gelang es ihm nicht.
Wieder stieß die Walküre einen Schrei aus, erhob beide Fäuste
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