Susan Price
als genug davon.
Aber Wulfweard folgte Frideswides Ruf und kehrte zurück. Er hatte die Augen geschlossen, aber die Lider flatterten. Farbe stieg in sein Gesicht. Die Priesterin winkte Unwin.
Unwin lehnte sich an den Bettpfosten und schaute Wulfweard an. Dieser hatte jetzt die Augen offen. Unwillkürlich überlief Unwin bei diesem Anblick ein eisiger Schauder, wie kaltes Wasser. Er fühlte, wie ihn Schwäche überkam. Vielleicht würde der Junge ihm eines Tages das Messer in den Rücken rammen, doch bis dahin war er nicht allein.
Wulfweard blickte zur Decke hinauf, dann zu der Priesterin und Unwin, als sei er nicht sicher, was er anschaute, ganz zu schweigen, wen. Langsam streckte er den Arm aus und berührte die Wand, als wolle er sich vergewissern, dass diese wirklich war. Unwin war über die Vagheit im Ausdruck des Jungen beunruhigt. Er beugte sich über ihn und sagte: »Wulf?«
Die Augen des Jungen schweiften zu ihm. Sie starrten ihn einfach an, als sei sogar ein Gesicht rätselhaft für ihn.
Unwin war zornig, weil er mit der Priesterin sprechen musste, deshalb fuhr er sie unwirsch an: »Was stimmt nicht?«
»Zeit, es braucht seine Zeit«, erwiderte die Priesterin. »Er ist weit gewandert. Überlass ihn mir. Lass ihn essen –«
»Ich habe die Königin gesehen«, sagte Wulfweard plötzlich.
Unwin erinnerte sich an die Geschichten, welche die alten heidnischen Sänger erzählten, von anderen Welten und anderen Höfen. Er fragte: »Was meint er?«
Die Priesterin stand jetzt fest auf ihren Füßen. Sie hatte so großes Vertrauen in ihre Macht und Autorität, dass sie Unwin mit der Hand vom Bett wegscheuchte und ihm bedeutete, er solle den Raum verlassen.
»Nein«, widersprach er. »Was meint er?«
»Überlass ihn mir, edler Herr. Ich weiß, wie es um ihn steht.«
»Ich werde nicht fortgehen –«
»Aber es ist das Beste. Wenn er gegessen und getrunken hat, werde ich ihn zu dir schicken. Ein bisschen später …«
Und dann stand Unwin vor dem Gemach, von kleinen wedelnden Gesten vertrieben. Die Tür schloss sich.
Kurz dachte er daran, in den Raum zurückzugehen, aber er wollte keinen Narren aus sich machen. Die Heiden wussten wahrscheinlich am besten, wie man mit dem Ergebnis ihrer eigenen Magie umzugehen hatte.
Er ging durch die Residenz zur Kapelle seiner Mutter, zog den Kopf ein und betrat den kühlen, düsteren Innenraum. Abgesehen von der kleinen Lampe auf dem Altar war es dunkel. Sie flimmerte auf dem Altartisch und ließ die Juwelen, die auf die Gewänder seiner Mutter aufgenäht waren, wie kleine Feuer schimmern. Sie saß neben dem Altar. Er kniete nieder und betete, dass ihre Mutter sich im Himmel für Wulfweards Sicherheit verwenden möge. Dann fügte er noch ein Gebet hinzu, dass der Himmel Athelric vernichten und ihm, Unwin, den Thron geben sollte. »Ich werde ein christlicher König sein und Gottes Willen auf Erden erfüllen. Ich werde die Menschen zu Christus führen und die himmlischen Hürden mit Schafen füllen …« Seine Gedanken wanderten von den Gebeten zu Plänen. Das Einreißen von heidnischen Tempeln und das Verbrennen ihrer Götzenbilder. Stattdessen würde er Kirchen an diesen Orten errichten. Die Menschen würden zu ihm strömen. Christi Schafe.
In seinem Namen würde man eine Kirche bauen. Er würde ein Heiliger werden und im Himmel einen sicheren Platz bekommen.
Die Zeit schlüpfte vorbei, es wurde dunkler und kälter. Die Altarlampe brannte in der Dunkelheit heller, gab jedoch weniger Licht. Die Heilige schien sich in die Dunkelheit zurückgezogen zu haben. Nur ein gelegentlicher schwacher Goldschimmer zeigte an, wo sie saß. Mehrmals dachte Unwin daran aufzustehen und die verkrampften Knie und Beine zu strecken. Aber das wäre Schwachheit! Wer wahrlich Gott dienen wollte, musste länger beten, und so blieb er.
Er hörte, wie sich die schwere Kirchentür hinter ihm knarrend öffnete. Doch ehe er sich umdrehen konnte, erkannte er Wulfweards Schritt auf den Steinplatten im Boden. Demnach ging es dem Jungen gut.
Die Kapelle war so klein und schmal, dass die beiden sie beinahe ausfüllten. Unwin blieb knien und beendete sein Gebet. Als er schließlich aufstand und sich umdrehte, wartete Wulfweard nahe der Tür auf ihn. Unwin ergriff seine Hand und zog ihn nach vorn in den Lichtkreis der kleinen Altarlampe. Er spürte, wie der Junge zitterte, aber sein Gesicht war nicht länger so fahl und leer wie das eines Toten.
Ehe Unwin sprechen konnte, sagte Wulfweard: »Du musst
Weitere Kostenlose Bücher