Susan Price
und brachte sie zu Elfling, der auf dem Boden saß. Kniend nahm Wulfweard Elflings Arm und legte die Hand an den Stumpf. Beide beobachteten staunend, wie sich Fleisch zu Fleisch fügte, die Hand an den Arm. Nur eine rote Narbe blieb. Elfling hob die Hand und spreizte die Finger.
»So, jetzt kann er König sein«, erklärte die edle Frau.
Elfling saß immer noch da, aber er hob den Kopf und schüttelte das Haar. »Ich muss noch eine Rechnung in der Welt meines Vaters begleichen, edle Frau. Dann will ich ins Land meiner Mutter zurückkehren. Ich verspüre nicht den Wunsch, König zu werden.«
Sie sagte: »Du bist mein Schwert, Elfling, und ich habe für dich Verwendung. Hast du geglaubt, ich hätte dich kämpfen gelehrt, damit du den Tod eines Bauerntrampels rächen kannst? Jede Stunde sterben Tausende, und sie sind mir völlig gleichgültig.«
Elfling stand auf, noch etwas schwankend, und ging im Feuerschein durch den Raum. Wulfweard beobachtete ihn. Elfling war nackt, und seine Haut glänzte rötlich im Licht; sein Haar fiel herab. Unwillkürlich musste Wulfweard wieder an die alten Geschichten denken. Er glaubte, Elfling würde vor der edlen Frau niederknien oder vielleicht den Saum ihres Gewandes küssen, wie man das bei einer mächtigen Heiligen tut – aber stattdessen nahm er die Frau in die Arme und presste sie leidenschaftlich an sich. »Ihr seid mein gesalzenes Fleisch, und für Euch will ich König werden, wenn Ihr es so wünscht«, sagte er.
Wulfweard, der ein wenig entfernt von dem eng umschlungenen Paar stand, sagte: »Edle Frau, wenn du willst, dass der Elfengeborene König in Mittelerde wird, solltest du eine Armee mit ihm aussenden. Mein Vatersbruder ist ein Anhänger der alten Götter, aber er wird die Krone nie dem Mörder meines Bruders geben. Und mein Bruder Unwin …«
Die edle Frau löste sich aus Elflings Umarmung, trat neben ihn und legte ihm den Arm um die Mitte. Sie schaute Wulfweard an.
»Ich teile die Schlachtenernte mit Woden«, erklärte sie. »Mein König soll eine Armee haben. Und ich werde dabei sein und jedem, der ihn bekämpft, die Schlachtenfesseln anlegen.«
Elfling streckte die wiederhergestellte Hand Wulfweard entgegen. »Reite mit mir, Bruder.«
Wulfweard wandte den Blick von ihm ab und blickte auf die eingewebten Schlachten auf dem Webstuhl. »Wenn die edle Frau mir erlaubt, zurück nach Mittelerde zu gehen, muss ich an der Seite meines Bruders stehen.«
»Ich bin dein Bruder«, sagte Elfling, immer noch mit ausgestreckter Hand.
Wulfweard würdigte ihn keines Blickes. »Du bist mein Halbbruder. Und du schuldest mir ein Leben.«
Elfling ließ die Hand sinken.
»Ich werde Elfling für den Kampf rüsten«, erklärte die edle Frau. »Und ich werde die Wege nach Mittelerde öffnen. Ich kann dich nicht hier halten, Wulfweard. Du wirst in Elflings Begleitung zurückkehren und an seiner Seite reiten.« Sie beugte sich vor. Ihr Haar schwang hin und her und glänzte im Feuerschein. »Danach kannst du dir die Seite aussuchen. Aber denk stets daran, Liebling, ganz gleich, welchen Gott du in deine Gotteshäuser stellst, ganz gleich, zu welchem Gott du betest: Ich erwähle die Toten.«
DER AUSERKORENE KÖNIG
Dicht gefolgt von Vater Fillan schritt Unwin durch die Tür seiner Privatgemächer in die kleine Halle, die daneben lag und wo die Dienerschaft und Verwalter lebten und schliefen. Man hatte Bettzeug und Bänke beiseitegeschafft, sodass sie jetzt als Empfangshalle diente. Eine Delegation der Ältesten drängte sich dort. Sie erfüllten die Halle mit Farben; alle trugen ihre Festgewänder und Umhänge, die mit teuren Essenzen gelb, rot, blau oder grün gefärbt und mit bestickten Borten verziert waren. Jeder Mann hatte das lange Haar gekämmt oder gekräuselt, den Bart sorgfältig gestutzt. Bei allen glänzten goldene Halsreife, Armbänder, Broschen und Ringe, blinkten Gürtelschnallen und Schwertgriffe. Dem Hofzeremoniell entsprechend knieten sie nieder, sobald Unwin erschien, wobei die Umhänge laut raschelten, Leder knarzte und Metall klirrte. Einige der älteren Männer atmeten schwer.
Unwin bat sie schnell, sich zu erheben, und lächelte so warm, wie er konnte. Er half sogar dem ältesten Mann, den er sehen konnte, auf die Beine. Auch der Atheling hatte sich mit seinem Äußeren große Mühe gegeben. Sein Haar war nicht wie üblich straff zurückgekämmt, was praktisch war, sondern hing lose um seine Schultern wie ein welliger rötlicher Umhang. Seine Tunika war
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