Susan Price
seinem Schwert verschwunden. Er wirbelte herum, so schnell er vermochte, um es zu wiederzufinden, und dann schwirrte ihm der Kopf, sein Rücken schlug auf dem harten Boden auf, dass ihm die Luft wegblieb. Der bloße Fuß des Dings presste seinen Schwertarm gegen den Boden, und das Geschöpf beugte sich herab, das lange Haar fiel nach vorn und peitschte ihn, und dann entriss es seiner Hand das Schwert. Das Geschöpf richtete sich wieder auf, schleuderte das Schwert beiseite und erklärte: »Ich will dich nicht töten.« Es hielt auch sein Schwert nicht mehr in der Hand.
Das Geschöpf trat zurück, als wolle es ihm erlauben aufzustehen; doch dann trat die edle Frau an seine Seite. Sie trug das Schwert mit dem schwarzen Hilt, in dessen stumpfgraue Eisenklinge eigenartige Muster eingehämmert waren. »Wenn du es ohne Blut wieder in die Scheide steckst, wirst du nicht leben, um es erneut zu zücken«, erklärte sie. Sie schaute auf Wulfweard hinab. Er zuckte zusammen vor dem wilden Ausdruck in ihrem Gesicht und ihren hellen, harten Augen. Sie wollte ihn tot.
Wulfweard rang unter Schmerzen nach Atem, war nicht imstande, sich zu bewegen. So sah er nur zu, als der Elfenbalg das Schwert nahm und ausholte. Die Klinge war über ihm. Er hätte die Augen offen halten und dem Tod mit Mut begegnen müssen, was er auch versuchte. Doch als das Licht auf der scharfen Schneide der Klinge aufblitzte, durchschoss ihn ein derartiger Angstschmerz, als hätte das Schwert ihn bereits getroffen. Die halb eingeatmete Luft blieb ihm in der Kehle stecken. Blut rauschte in seinen Ohren; vor seinen Augen wurde alles zu Nebel. Er sah nichts.
Er hielt den Stoß vor die Brust für den Streich des Schwertes, das in ihn eindrang. Er spürte die Nässe und Wärme von Blut, mit dem typischen Eisengeruch, und wusste, dass er getötet worden war … Doch dennoch hob und senkte sich seine Brust weiterhin, obgleich jeder Atemzug schmerzte. Das Blut rauschte weiter in seinen Ohren und hämmerte in der Brust. Vielleicht war das der Tod in der Anderswelt? Abrupt bewegte er sich und rollte von dem Platz weg, wo er gelegen hatte; dann wagte er es, die Augen zu öffnen und sich umzuschauen.
Er musste sich Blut vom Gesicht wischen. Auch auf der Brust seiner Tunika war Blut, aber keine Wunde. Dann sah er in der Streu nicht weit von ihm eine Hand liegen. Sie sah sehr seltsam aus, vollständig mit Fingern und Daumen, ganz normal und erkennbar, aber sie endete am Handgelenk.
Dahinter sah er das Elfending knien. Es presste auf den Armstumpf, welcher Blutfontänen ausstieß, die den Lehmboden und die Streu durchtränkten und das Gewand der edlen Frau befleckten.
Die edle Frau fragte: »Waren deine Augen geschlossen, Held?« Sie lächelte Wulfweard an. »Der Elfenbalg zog die Klinge über den eigenen Arm, um dem Schwert Blut zu trinken zu geben, dich aber zu verschonen. Doch dieses Schwert lässt sich nicht leicht betrügen. Es hat ihm die Hand abgebissen.«
Wulfweard wandte die Augen zu dem Halbding, zu dem starren, erbleichenden Gesicht, welches beinahe seines war und welches starb.
Ohne sich die Mühe zu machen aufzustehen, kroch Wulfweard die geringe Entfernung zwischen ihnen und packte den Arm des Bastards mit seinen Händen. Er presste eine Hand gegen den Stumpf und drückte darauf, während Blut über sein Gesicht spritzte. Verzweifelt versuchte er, die Blutung zu stillen. Aber das Blut spritzte weiterhin zwischen seinen Fingern hindurch, und der Bastard wurde schlaff.
Die edle Frau trat mit ihrem blutbefleckten Gewand zu Wulfweard und legte ihm die Hand auf den Kopf. Er spürte, wie sich seine Haare bei ihrer Berührung aufstellten, eine Leichtigkeit, die ihn erschauern ließ, durchfuhr ihn. Sie beugte sich herab und sagte leise: »Du musst ihn nur mit seinem wahren Namen ansprechen.« Als Wulfweard den Mund öffnete und es kam kein Laut heraus, wiederholte sie: »Sage seinen wahren Namen. Sag die Wahrheit.«
Wulfweards Zunge stammelte die Möglichkeiten. Immer hatte er gehört, wie man diesen Mann »den Bastard«, »das Ding«, »den Elfenbalg« genannt hatte – aber irgendwo war in seinem Hinterkopf noch ein Name. »Elfling?«, sagte er erst leise, dann ganz laut. Aber die Blutung hörte nicht auf.
»Seinen wahren Namen!«
»Ich …« Aber er kannte ihn. »Elfling Königssohn. Elfling Eadmundssohn.« Die Blutung war schwächer geworden und quoll langsamer. Hörte sie auf, oder war Elfling nur dem Tode noch näher? »Halbbruder – Bruder. Elfling
Weitere Kostenlose Bücher