Susan Price
wahr! Es bedurfte keines weiteren Beweises, um sie zu überzeugen. Vor ihnen stand auf dem Stein der von der Göttin erwählte König! Die Männer legten die Waffen nieder, da sie diese nicht mehr brauchten, umringten den Stein, um das Wunder aus der Nähe zu sehen und den Stein und den Jüngling zu berühren, der darauf stand, und aus ihm Stärke zu ziehen. Sie lachten alle laut. Ihre Gesichter waren voll Freude. Unter diesen war auch Athelric. Die Freude, seine Göttin so nahe zu wissen, ließ ihn den Thron vergessen. Auch Wulfweard war am Rand der Menge der glühenden Verehrer. Sein Körper war Unwin zugewandt, aber er blickte zurück zum Stein und zu Elfling.
Der Atheling Unwin war erschüttert, aber er lief weder vom Stein fort noch dorthin. Der Schrei des Steins hatte ihm nicht nur Angst eingeflößt, sondern auch teuflisch, unnatürlich und widerwärtig geklungen. Er spürte, wie Furcht in ihm aufstieg, und reagierte darauf mit Wut. Dies war der Teufel, der den Kampf gegen den Gott beginnen wollte, welchem er Treue geschworen hatte, und dieser Teufel musste bekämpft werden. Er schaute umher und sah einige seiner Männer auf dem Weg nach unten und etliche, die sich in die Schar der Ungläubigen einreihten. Aber es waren viele, meist Christen wie er, die verwirrt mit offenem Mund dastanden. Er hob sein Schwert vom Boden auf und rief ihnen zu: »Ihr habt geprahlt, was ihr in der Schlacht für Ruhmestaten vollbringen würdet, während ihr mein Ale geschluckt habt! Steht jetzt zu euren Worten, oder sollen sie euch beschämen?«
Die verwirrten Gesichter wandten sich ihm zu. Er zeigte ihnen sein Schwert, das er wieder in der Hand hielt. »Ich habe euch ein Dach über dem Kopf, Kleidung, Essen und Trinken versprochen, Waffen und Belohnung – und ich habe mein Wort gehalten!« Jetzt erholten sich seine Männer. Sie brachen in Jubel aus, schlugen mit den Schwertern gegen die Schilde und waren entschlossen, die Erinnerung an ihre Angst durch umso wilderes Kämpfen auszulöschen. »Eine Belohnung für den Mann, der mir den Kopf des Elfen bringt!«, schrie Unwin. Gerade als er seine Leute vorwärtsführen wollte, sah er seinen Bruder und rief: »Wulfweard! Atheling! Zu mir!«
Wulfweard hörte ihn, wandte sich um, drehte sich wieder zum Stein – und rannte dann zu Unwin, um sich in dessen Reihen einzugliedern und seinen Platz an der Seite des Bruders einzunehmen.
Unwin lief auf den Stein zu, seine Männer hinter ihm. Alle schlugen mit den Schwertern auf die Schilde und machten einen Höllenlärm, dazu schrien sie wild. Diejenigen, die am Stein standen, schienen abgelenkt zu sein – eine leichte Beute. Doch als die Angreifer näher kamen, veränderte sich die Luft, und aus ihr traten auf wunderbare Weise Krieger hervor. Bewaffnete, mit hocherhobenen Schilden. Unter den Helmen waren bleiche, blutlose Gesichter von Toten. Einige hatten keine Augen und wiesen Risswunden auf, wo Raben und Wölfe, Wodens Geschöpfe, sich an ihnen gütlich getan hatten. Die Hände, mit denen sie die Speerschäfte hielten, waren bläulich verfärbt, auch die Nägel waren blau. Als sie die Münder öffneten und den Schlachtruf ausstießen, kam von ihnen ein Luftzug, der faulig stank. Bei diesem Anblick sank auch dem Tapfersten der Mut, und Unwins Leibwachen hatten bereits mehr als zum Reißen gespannte Nerven. Sie blieben stehen und wichen erneut zurück.
Unwin spürte, wie sein Leib vor Furcht schwach wurde, aber er war ihr Herr, ihr Anführer. Ihm war bewusst, sobald er einen Schritt zurückwich, würde der Rest fliehen. »Mein Gott ist das Leben!«, schrie er und schlug mit dem Schwert auf den nächsten Krieger der Anderswelt ein. Während sein Schwert noch in der Luft war, ehe es traf, fragte er sich, was geschehen würde. Würde die Kreatur in Knochenteile und Fleischbrocken zerfallen? Würde sie wie ein Traum verschwinden? Ehe der Gedanke zu Ende gedacht war, hatte er bereits die Antwort, als sein Schwert mit aller Kraft gegen einen Schild prallte, der so fest war wie der, den seine Männer hielten. Auch der Krieger dahinter war ebenso stark. Gerade noch rechtzeitig gelang es ihm, den eigenen Schild zu heben.
Hinter den Reihen der Walkürenkrieger sammelte Elfling die Männer, die sich zu ihm gesellt hatten. Hektisch hoben sie Schwerter vom Boden auf, schlangen Schilde auf den Rücken und stülpten sich Helme auf die Köpfe. Elfling zog Wodens Versprechen aus der Scheide. Er spürte das Schwert in seiner Hand zittern und zum Leben
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