Susan Price
aus der Königssippe?« Er lächelte freundlich. »Es soll doch eine gerechte Prüfung sein, richtig? Jeder Mann aus der Königssippe soll seinen Fuß auf den Stein stellen. Dann werden wir hören, bei wem der Stein schreit.«
Unwin brüllte: »Mein Name ist Eadmundssohn, Atheling! Athelric und ich sind die einzigen Männer der Königssippe hier. Jetzt lass uns deinen Namen hören!«
Der fremde Jüngling lächelte wieder. »Das kann warten, Bruder. Warum kommst du nicht her und probierst dein Glück? Stell deinen Fuß in den Fußabdruck der Göttin!«
Unwin hatte die Hände an den Griffen der Waffen und sagte: »Ehe du mich ›Bruder‹ nennst, sag uns deinen Namen.«
Mit laut schallender Stimme erklärte der Jüngling: »Wir haben denselben Vater, Bruder. Ich bin ebenfalls Eadmunds Sohn und ebenso ein Atheling.«
»Du bist nicht Wulfweard!«, schrie Unwin. Es gab Geschichten, wonach Wesen aus der Anderswelt die Gestalt von Sterblichen annahmen, sogar einen Schimmer über Baumstümpfe oder Strohbündel warfen, sodass Menschen – zumindest eine Zeitlang – glauben, sie seien ihre Freunde.
Der Jüngling hinter ihm lachte, und aus einer Lufttasche erschien plötzlich Wulfweard. Er blickte sofort zu Unwin, als hätte er schon seit geraumer Zeit unsichtbar seinen Bruder beobachtet. Er war so gekleidet, wie er diese Welt verlassen hatte, in voller Rüstung; allerdings trug er den Helm mit der Maske unter dem Arm, und sein Haar glänzte hell im Sonnenlicht. Als man sie so Seite an Seite sah, war der fremde Jüngling trotz der verblüffenden Ähnlichkeit der Schönere. Neben ihm war Wulfweard wie eine goldene Brosche, die von einem fähigen Gesellen vorzüglich nachgearbeitet worden war, doch nur die Imitation des Originals seines Meisters blieb.
Wulfweard schaute von seinem Bruder zu seinem Vatersbruder und rief: »Dies ist der Nachfolger, den unser Vater benannt hat!« Er sprang vom Stein und sagte zu seinem Bruder und seinem Vatersbruder: »Er soll der nächste König sein.«
Jetzt wechselten Athelric und Unwin Blicke. Ihre Antwort lautete: Schwerter. Die zwei Waffen wurden beinahe gleichzeitig klirrend aus den Scheiden gerissen. Unwin lächelte hämisch.
Hinter ihnen wiederholte sich das Klirren und wurde lauter, als die Männer der Garde ebenfalls ihre Schwerter zückten, bereit zu tun, was ihre Gebieter von ihnen forderten, obwohl ihnen keine andere Gefahr drohte als ein einziger junger Mann. Es folgte eine kurze, hektische Aktivität, als Frauen und Kinder sich schnell von der Front zurückzogen und eilends den Hügel hinunterliefen. Bewaffnete folgten ihnen mit dem Befehl, sie zu schützen. Weiter unten kam es zu Schieben und Stoßen unter dem niedrigeren Volk, weil viele so schnell wie möglich hinunterwollten, andere jedoch sich nach oben kämpften, weil sie sehen wollten, was immer es dort zu sehen gab, um später für den Rest ihres Lebens davon zu erzählen. Ebba krabbelte von dem Platz, wo sie nach dem Sturz gelandet war, nach oben. Sie war durch das Durcheinander ringsum verwirrt, kletterte aber zielstrebig weiter nach oben, als die Menge lichter wurde.
Elfling lächelte immer noch hinreißend, machte einen kurzen Schritt und stellte seinen Fuß in den Abdruck im Stein.
Der Klang durchbohrte die Zuhörer. Ihre Muskeln verspannten sich, Hände öffneten sich und ließen Waffen fallen, Knie wurden weich, Blasen entleerten sich. Es war ein knirschender, lang gezogener, kreischender Ton, wenn man eine Klinge am Wetzstein schärft oder Schiefer über Schiefer schiebt. Ebba fiel auf die Knie, dann legte sie sich auf den Bauch und hielt sich mit beiden Händen die Ohren zu. Noch nie hatte sie einen so schrecklichen Ton gehört.
Auf dem Hügel drehten sich die Menschen in Panik und suchten nach dem Ursprung des Schreis. Als sie ihn entdeckten, verbreitete sich eine noch größere Verwirrung. Für etliche, sogar unter der Leibgarde, war die Tatsache, dass der Stein tatsächlich den Schrei ausgestoßen hatte, zu viel. Keine Angst vor Feigheit, kein Gedanke an Ehre vermochte sie zu halten. Sie ließen die Waffen dort liegen, wohin sie gefallen waren, und rannten kopflos davon. Auf der Flucht versetzten sie weitere Neugierige in Panik, welche ebenfalls losliefen, ohne nach dem Grund zu fragen. Als der Schrei des Steins abebbte, erhob sich an seiner Stelle lautes, angsterfülltes Gebrüll.
Doch andere erfüllte der Schrei des Steins mit Ekstase. Ihre Herzen und Köpfe öffneten sich für das Wunder: Es war
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