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Susannah - Auch Geister koennen kuessen

Titel: Susannah - Auch Geister koennen kuessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meg Cabot Yvonne Hergane-Magholder
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praktizierender Jude, meine Mutter Christin. Die Religion hatte in ihrer beider Leben nie eine große Rolle gespielt und in meinem hatte sie höchstens Verwirrung gestiftet. Man sollte meinen, ich hätte mehr Ahnung vom Jenseits als andere, aber in Wirklichkeit hab ich nicht den blassesten Schimmer, was mit den Geistern passiert, wenn sie endlich dahin abdampfen, wohin sie eigentlich schon nach dem Tod hätten abdampfen sollen. Ich weiß nur, sobald ich ihnen dazu verhelfe, dorthin überzuwechseln, kommen sie nie wieder zurück. Nie mehr. Finito, Ende, aus die Maus.
    Und so war ich, als Mom und ich am Montag nach meiner Ankunft im sonnigen Kalifornien im Sekretariat der Missionsschule aufschlugen, mehr als irritiert, als ich den knapp zwei Meter großen Jesus erblickte, der hinter dem Schreibtisch der Sekretärin ans Kreuz genagelt war.
    Eigentlich hätte mich das nicht so überraschen dürfen. Schon am Sonntagmorgen hatte Mom, als sie mir beim Auspacken half, aus meinem Zimmerfenster gezeigt. »Siehst du die große rote Kuppel da? Das ist die Mission. Das Kuppeldach gehört zur Kapelle.«
    Schweinchen Schlau hatte sich auch zu uns geschlichen – das tat er ziemlich oft – und setzte nun wieder zu einem seiner Vorträge an. Diesmal über die Franziskaner, einen römisch-katholischen Orden, der sich 1209 gegründet hatte und nach den Lehren des heiligen Franziskus lebte. Pater Junipero Serra, ein Franziskanermönch, war laut Schweinchen Schlau eine historische Persönlichkeit, die auf tragische Weise missverstanden worden war. Als umstrittene, doch heldenhafte Figur innerhalb der katholischen Kirche sollte er schon vor langer Zeit heiliggesprochen werden, doch das hatten die Ureinwohner Amerikas, wie Schweinchen Schlau erklärte, als »Billigung der ausbeuterischen Kolonisationspolitik der Spanier« aufgefasst. Junipero Serra hatte sich zwar immer wieder für die Eigentumsrechte und wirtschaftlichen Ansprüche zum Christentum bekehrter Ureinwohner Amerikas ausgesprochen, sich aber heftigst gegen das von ihnen geforderte Recht auf Selbstverwaltung eingesetzt. Zudem war er ein überzeugter Anhänger der körperlichen Züchtigung gewesen und hatte bei der spanischen Regierung die Erlaubnis beantragt, Indianer auszupeitschen.
    Ich sah Schweinchen Schlau erstaunt an. »Hast wohl ein fotografisches Gedächtnis oder was?«
    Er wirkte verlegen. »Na ja, ist doch immer gut, etwas über die Geschichtes des Ortes zu wissen, an dem man lebt.«
    Ich speicherte diese Information für spätere Gelegenheiten. Schweinchen Schlau war vielleicht genau der Richtige, den ich was fragen konnte, wenn Jesse doch wieder auftauchen sollte.
    Und nun stand ich also im kühlen Büro des alten Gebäudes, das Junipero Serra zur Erleuchtung der Ureinwohner Amerikas erbaut hatte, und fragte mich, wie viele Geister mir hier wohl begegnen würden. Garantiert gab es jede Menge Leute, die mit Serra noch ein Hühnchen zu rupfen hatten – vor allem angesichts dieser Auspeitsch-Geschichte –, und ich zweifelte nicht daran, dass ich jeden Einzelnen von ihnen kennenlernen würde.
    Aber seltsamerweise hatte ich, als Mom und ich durch den breiten Bogengang in den Innenhof der Mission gekommen waren, keine einzige Gestalt erblickt, die so ausgesehen hätte, als gehörte sie nicht hierher. Ein paar Touristen knipsten Fotos von dem imposanten Brunnen, ein Gärtner arbeitete emsig am Fuß einer Palme – sogar an meiner neuen Schule gab es also Palmen! –, ein Pater wandelte in stiller Kontemplation den Weg entlang. Was für ein schöner, friedvoller Ort – vor allem wenn man bedachte, dass das Gebäude so alt war und schon so viele Todesfälle gesehen hatte.
    Ich verstand das nicht. Wo steckten denn die ganzen Toten?
    Vielleicht hatten sie ja Angst, sich hier aufzuhalten. Mir persönlich jagte das Kruzifix jedenfalls Furcht ein. Ich meine, ich hab nichts gegen religiöse Kunst, aber ist es denn wirklich nötig, die Kreuzigung so realistisch darzustellen, mit allen schorfigen Wunden und so?
    Offenbar war ich nicht die Einzige, die so dachte. Ein Junge kauerte auf der Couch gegenüber jener Couch, auf der Mom und ich Platz genommen hatten. Er sah, wohin ich schaute, und sagte: »Angeblich weint er blutige Tränen, wenn ein Mädchen bei ihrem Schulabschluss hier noch Jungfrau ist.«
    Ich musste unwillkürlich lachen. Meine Mutter starrte mich an. Die Sekretärin, eine gedrungene Frau mittleren Alters, die so aussah, als müssten solche Bemerkungen sie zutiefst

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